Wo Jungs zu Legenden werden

Im Interview berichtet uns ein ehemaliger Vielspieler über seine Erfahrungen und seine Erlebnisse während und nach seiner Zockerzeit. Er erzählt von seinem damaligen Alltag und den Gedanken, die man in dieser Zeit zulassen sollte.
Wo Jungs zu Legenden werden

Was hast du bisher gespielt?

Ich hab die Call of Duty-Reihe, Minecraft und dann eben noch League of Legends (kurz: LoL) gespielt. Das waren meine Hauptspiele. Dazwischen natürlich noch viele kleine Sachen.

Was hast du am Intensivsten gespielt?

LoL! Definitiv.

Worum geht’s bei LoL?

LoL ist ein Online-Spiel. Das Prinzip ist leicht: Jeder spielt einen Champion (Charakter) mit besonderen Fähigkeiten. Es geht 3 vs. 3 oder 5 vs. 5. Jedes Team hat einen Nexus (Base). Das Ziel des Spiels ist es, den Nexus des Gegners zu zerstören.

Was ist das Besondere an LoL?

Das Spiel ist kostenlos. Es gibt immer neue Erweiterungen, neue Gegner und neue Anreize. Dadurch wird’s einfach nicht langweilig. Es kommt auch viel auf Skill an. Bei LoL levelst du deinen Account in einer Rangliste hoch. Das heißt, es ist ein lang anhaltender Reiz da weiter aufzusteigen und sich mit 70 Millionen Spielern weltweit zu messen. Es gibt verschiedene Ligen: Von Bronze bis Diamant. In der Challenger Division sind die richtig Guten drin. Wenn du so weit kommst, kennen dich auch viele Leute.

Wie lange hast du gespielt?

Ich hab 2010 angefangen, und fast 3 ½ Jahre gespielt. Ganz extrem habe ich in der Vorabizeit (11./12. Klasse) gespielt, pro Tag über einen längeren Zeitraum im Schnitt mehr als sechs Stunden.

Wie sah damals so dein Alltag aus?

Nach der Schule bin ich gegen 16 Uhr heimgekommen, PC angemacht, was gegessen und bis um 12 oder 1 Uhr nachts gezockt. Nicht jeden Tag, aber schon extrem viel. In den Ferien haben wir uns mit anderen getroffen, die PCs zusammengestellt und noch länger gespielt.

„Hab halt mit Freunden was gemacht, aber auch sauviel gespielt. Da ist schon einiges an Lebenszeit draufgegangen.“

Hast du Dinge wegen des „Zockens“ vernachlässigt?

Die Beziehung zu meinen Eltern war dadurch teilweise angespannt. Damals ignorierte ich sie. Ich sah es immer so, dass sie das aus ihrer Jugendzeit nicht kannten. Sie taten aber so, als ob sie es besser wüssten. Also wollte ich ihre Bedenken nicht hören.
Meine Freundschaften liefen zu der Zeit viel übers Gamen. Dadurch, dass meine Freunde das auch gespielt haben, haben wir uns eben nicht so viel gesehen – eben mehr im Netz. Ich war aber wenig unterwegs und draußen, hab weniger Fußball gespielt. Heute ärger ich mich darüber, aber was soll’s. Kann’s net mehr ändern.

Hättest du dich damals als süchtig bezeichnet?

Auf gar keinen Fall! Ich fand das normal. Heute würde ich sagen, dass ich schon teilweise nahe dran war. Hab bspw. in der Schule oder Gemeinde an meine Champions gedacht. Vieles andere ist dadurch in den Hintergrund geraten. Das war teilweise extrem. Ich habe aber nicht gemerkt, wie mich das Spiel beschäftigte. Ich fand’s normal. Meine älteren Freunde und Verwandten haben schon gesagt: „Hör auf. Zocken is nix!“ Das war so der Standardspruch. Ich hab das immer mit einem Lächeln abgetan.

Wann hast du damit aufgehört?

Ich hab in der 13. Klasse schon weniger gespielt, weil ich das Abi noch schaffen wollte. Während meinem Orientierungsjahr hab ich viel aus Langeweile gezockt. Als ich dieses Jahr beendete, habe ich aufgehört. Es gab dafür nicht DEN einen Knackpunkt. Es hat eher unterbewusst einmal ‚klick‘ gemacht. Das Jahr weg von zuhause hat mich evtl. schon geprägt, weil ich viele Freundschaften vermisst hab. Das Zocken konnte mir das nicht geben.

Gott wurde wichtiger, weil das Gamen aufhörte.

Wie hat sich seitdem deine Beziehung zu Gott oder Gemeinde verändert?

Ich bin zu der „Zockerzeit“ eher in der Gemeinde gewesen, weil man das so erwartet hat. Sonntags war „Gemeindezeit“, aber ich war mit den Gedanken häufig bei LoL. Im letzten Jahr habe ich gelernt, die Gemeinde und Gott ganz anders zu sehen. Gott wurde wichtiger, weil das Gamen aufhörte.

Was würdest du Leuten sagen, die auch viel spielen?

Weil ich damals auf niemanden hören wollte, ist es schwer für mich da einen Tipp zu geben. Rückblickend frage ich mich: „Was hat mir das Zocken gebracht?“ Damals wollte ich nie darauf antworten. Wenn man mal richtig ehrlich zu sich ist, lautet die Antwort: „Es bringt dir gar nichts.“ Vielleicht ein wenig Spaß, ein wenig Ablenkung. Flucht aus deinem Leben. Wenn du im realen Leben irgendwelche Macken hast, bspw. als Junge ne piepsige Stimme, interessiert das bei LoL keinen. Du kriegst Anerkennung. Im Endeffekt kommt dann aber der Punkt, wo man merkt: Das ist NICHT mein richtiges Leben!

Ich könnte jetzt niemals zu einem gehen und sagen: „Hör auf damit!“, weil ich weiß, wie man mit so nem Spruch in dieser Situation umgeht. Ich wollte es ja selbst damals nicht hören. Man kann heute den Leuten sagen: „Irgendwann wirst du das Spielen bereuen.“ Ich bereu’s jetzt definitiv, dass ich da soviel Zeit rein investiert hab.

Anweisungen und Hilfen von älteren Freunden habe ich zwar immer etwas ignoriert und gesagt: „So schlimm ist es jetzt auch nicht.“ Im Unterbewusstsein hat mir das trotzdem geholfen. Man sucht sich ja doch Vorbilder. Wenn diese Vorbilder dann alle zocken, ist es schwerer davon wegzukommen. Deshalb ist es schon wichtig, dass gute ältere Freunde Ratschläge geben und Vorbilder sind. Allerdings wird es selten so sein, dass man sofort Erfolg hat. Irgendwie hat nämlich auch die Reife einen großen Einfluss. Wer wie ein Kind bleiben möchte, zockt auch viel. Für mich wäre es schön, wenn Leute das nicht durchmachen müssten und schneller reif werden.

Der Interviewte ist 21 Jahre alt und der Redaktion bekannt.