3 Gründe warum deine Jugendgruppe Richter lesen sollte

Ich glaube, dass das Buch Richter es wert ist, in deutschen Jugendgruppen gelesen zu werden und zwar heute vielleicht noch mehr als vor zwanzig Jahren.
3 Gründe warum deine Jugendgruppe Richter lesen sollte

Eine Erkenntnis, die sich mir in der Jugendarbeit immer wieder aufdrängt, ist: Die Zeit ist knapper, als ich denke.

Zeit ist knapp in vielerlei Sinn, aber einer davon hat speziell etwas mit der inhaltlichen Planung unserer Jugendarbeit zu tun. Wenn wir unsere Treffen nicht in eine christliche Schulveranstaltung verwandeln wollen, haben wir gar nicht so viel Zeit für Bibelarbeiten. Abhängig davon, wie in eurer Jugendarbeit mit Ferien umgegangen wird und ob ihr bei jedem Treffen auch mit Andachten oder Bibelarbeiten arbeitet, bleiben vielleicht zwanzig bis fünfundreißig Stück im Jahr.

Da kann man sich die Frage stellen, inwiefern es sinnvoll ist, dreizehn dieser Chancen auf Bibelarbeiten für das Buch Richter zu verwenden. Reichen da nicht auch drei oder vier? Brauchen die Jugendlichen nicht mehr „praktische“ Themenimpulse? Wäre was aus dem Neuen Testament nicht relevanter?

Ich glaube, dass das Buch Richter es wert ist, in deutschen Jugendgruppen gelesen zu werden und zwar heute vielleicht noch mehr als vor zwanzig Jahren. Hier sind drei Gründe:

1. Richter spricht in unsere gesellschaftliche Situation

Die Gesellschaften im Westen sind heute so individualistisch wie selten zuvor. Unsere Jugendlichen werden unweigerlich durch eine Kultur geprägt werden, in der das persönliche Wahrheitsempfinden als die höchste aller Autoritäten gilt. Diese Kultur des Individualismus ist dabei nicht ohne ihre Stärken, aber sie kommt eben auch mit spezifischen Gefahren. Eine wichtige Aufgabe christlicher Jugendarbeit muss also heute sein, die Jugendlichen zu befähigen, in einer individualistischen Gesellschaft zwischen Licht und Schatten, Wahrheit und Lüge, hilfreich und gefährlich zu unterscheiden.

Hier kommt das Buch Richter gerade recht. Die Erzählungen in Richter finden in den Jahrhunderten nach der Landeinnahme Israels durch Josua und vor Beginn der Königszeit mit Saul statt. Das Buch charakterisiert diese Zeit dabei selbst folgendermaßen:

„In jenen Tagen war kein König in Israel. Jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Richter

All diese Themen machen das Buch Richter zu einem wirklich relevanten Lesestoff für eine Generation, die drei Jahrtausende später im heutigen Deutschland aufwächst.

2. Richter zwingt uns, „richtig Bibellesen“ zu lernen

Unsere Bibeln mit Gewinn zu lesen fällt uns oft gar nicht so leicht. Meine und die nachfolgenden Generationen von „digital natives“ tut sich ohnehin schon schwer damit, längere Texte zu lesen und zu erfassen. Diese Herausforderung wird nur noch größer, wenn es sich bei den Texten um biblische Bücher handelt, die alleine schon durch ihr hohes Alter weitere Verstehenshürden um sich bauen. Wenn wir also wollen, dass unsere Jugendlichen lernen, auch selbstständig die Bibel zu lesen und zu verstehen, dann müssen wir sie darin anleiten. (Das kann manchmal auch bedeuten, dass wir uns selber noch einmal in Erinnerung rufen müssen, wie man eigentlich ein Buch im Gesamtzusammenhang liest und versteht.)

Das Buch Richter ist kein Paulus-Brief. Es sagt uns nicht explizit ins Gesicht, was wir lernen sollen, was wir tun sollen, wie wir über Gott denken sollen. Das Buch Richter erzählt, wie ein beträchtlicher Teil der Bibel, Gottes Geschichte mit Menschen in einer Form, die wir heute kaum noch Beherrschen: der Erzählung. In den Bibelarbeiten durch Richter können wir gemeinsam mit unseren Jugendlichen neu lernen, wie die Geschichte der Bibel in unser Leben spricht. Wie wir uns selbst und unser Leben in den Jahrtausende alten Geschichten wiederfinden. Wie man wiederkehrende Themen in den Texten entdeckt und sie so zu verstehen beginnt. Wie uns der Erzähler durch seine Geschichte viel mehr sagt als nur „sei besser (nicht) wie Simson“. Am Buch Richter können wir Lesen lernen. Ein wertvoller Schatz in einer digitalen Welt.

3. Richter lehrt uns, einen Blick für das Evangelium zu bekommen

Das Buch Richter eignet sich nicht nur zum Lesen Lernen, weil es eine Erzählung ist. Richter nimmt unter den Büchern des Alten Testaments in meinem Herzen einen besonderen Platz ein, weil ich in diesem Buch, wie in keinem anderen, gelernt habe, dass ich das Alte Testament mit einem „frommen Sehfehler“ gelesen habe. Ich bin in einer Gemeinde mit einer hohen Achtung vor der Bibel aufgewachsen. Wie meine geistliche Familie, habe ich dementsprechend schon früh die Überzeugung geteilt (und teile sie bis heute), dass die ganze Bibel zu mir sprechen möchte, für mich relevant ist. Das Problem an der Sache ist nur: Was möchte Gott mir sagen, wenn er in der Bibel eine Geschichte erzählt, aber die Anwendung nicht ausformuliert? Mein kindlicher Lösungsansatz war einfach: Identifiziere die „Guten“ in der Geschichte und mach das Gleiche, was sie getan haben. Umgekehrt mit den „Bösen“. Sei wie David, sei nicht wie Saul.

Der Ansatz ist zunächst einmal völlig legitim. Es ist gut, wenn wir uns (biblische) Vorbilder im Glauben suchen und von ihnen lernen. Aber dadurch, dass sich mein Blick auf diesen einen Nutzen beschränkt hatte, war mein Bibelverständnis in ein Ungleichgewicht geraten. Wenn wir die Bibel lesen und nur verstehen „Sei so, aber nicht so. Tu dies, aber nicht das.“, dann gibt es dafür einen Ausdruck: Gesetzlichkeit. Wir verlieren das Evangelium aus dem Blick, wenn wir die Botschaft Gottes auf Handlungsanweisungen beschränken. Wir verlieren das Evangelium aus dem Blick, wenn wir die Botschaft Gottes auf Handlungsanweisungen beschränken. Aber wenn wir das Buch Richter lesen, bleibt uns fast keine Wahl, als unseren verengten Blick zu bemerken. Die Geschichte Israels in der Richterzeit bietet mit fortlaufender Zeit schlichtweg keine Positivvorbilder mehr. Trotz der immer wiederkehrenden Richter befindet sich Israel in einer moralischen Abwärtsspirale. Selbst die Richter selbst können nur in wenigen Ausnahmen als Vorbilder herhalten. Wenn wir diese Entdeckung gemacht haben, verschiebt sich unser Blick von den menschlichen Handelnden der Geschichte hin zum wahren Handelnden: Gott. Wir lernen zu sehen, wie bereits die Geschichte der Richter von Gottes unverdienter Gnade spricht. Wie Gott den Lauf der Welt unter Kontrolle hat, wenn alles außer Kontrolle zu geraten scheint. Wir lernen zu sehen, dass es mehr braucht, als einen menschlichen Retter, um uns aus unserer sündigen Selbstzerstörung zu befreien. Wir bekommen einen neuen Blick, für die Größe des Evangeliums.

Drei gute Gründe, Richter mit deiner Jugendgruppe zu lesen

Ist das Buch Richter es wert, dreizehn Einheiten eurer knappen Zeit mit eurer Jugendgruppe zu belegen? Wir glauben es ist zumindest ein heißer Kandidat. Deswegen veröffentlichen wir eine Bibelarbeitsreihe, die einmal durch die Geschichte des Buches fliegt. Wir wollen euch in dreizehn Einheiten Abschnitte aus dem Buch näher bringen, so dass ihr zusammen mit eurer Gruppe selbst entdecken könnt, wie viel Richter uns heute noch zu sagen hat. Ihr könnt die Lektionen dabei als Vorlage für eine gemeinsame Bibelarbeit oder auch für entsprechende Predigten nutzen. Wenn es euch irgendwie möglich ist, sollten die Jugendlichen dabei zuerst selbst die Erfahrung machen, längere Textabschnitte im Buch zu lesen, um ein Gefühl für die Fragen und Fremdartigkeit zu bekommen, die diese Texte in uns aufwerfen. Wie auch immer ihr eure Reise durch das Buch gestaltet: Wir wünschen euch Gottes Segen dabei.