Verstand und Gefühle in der Bibel

Was sagt die Bibel zum Verhältnis von Verstand und Gefühlen?
Verstand und Gefühle in der Bibel

Dieser Artikel ist eine kommentierte Bibelstellensammlung. Auflistungen wie diese sollen dabei helfen, sich einen ersten Überblick vom Umgang der Bibel mit einem bestimmten Thema zu machen, oder gezielt auf einzelne Aspekte hinweisen. Sie sind dabei aber nie umfassend und sollen uns viel mehr motivieren selbst über das Thema nachzudenken.

Seit Jahrhunderten setzen sich Philosophen und Psychologen damit auseinander, wie unser Verstand und unsere Gefühle funktionieren und was sie ausmacht. Was sagt die Bibel über diese grundlegenden Seiten unseres Lebens als Menschen?

Verstand vs. Gefühle?

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit deinem ganzen Verstand und mit aller deiner Kraft!Markus 12,30
Weitere Stellen: 1.Mose 6,5 / Sprüche 16,1+9 / Sprüche 18,15 / Sprüche 15,14 / Psalm 28,7 / Psalm 38,9

Unsere heutige Vorstellung von Verstand und Gefühlen wurde stark geprägt von den Philosophen der griechischen Antike. Sie unterschieden zwischen Vernunft und Gefühlen (bzw. Leidenschaften) als zwei separaten und im Widerspruch zueinander stehenden Kräften, die miteinander darum ringen, unser Handeln unter ihre Kontrolle zu bringen. Das biblische Verständnis von Verstand und Gefühlen hingegen ist revolutionär anders. Biblisch betrachtet umfasst das Herz sowohl den Verstand und seine rationalen Gedanken, Intentionen, Ziele und willentlichen Entscheidungen als auch die emotionalen Komponenten des menschlichen Seins wie Ängste, Sehnsüchte, Vertrauen, Ablehnung und emotionale Motivation (Timothy Keller).

Als Jesus nach dem wichtigsten Gebot gefragt wird, macht er sehr deutlich, dass Gott sich Menschen wünscht, die ihm mit ihrem „ganzen Herzen“, also voller emotionaler „Hingabe“ und gleichzeitig mit ihrem „ganzen Verstand“ zugeneigt sind.

Ein denkender Gott

Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. Denn so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Denn wie der Regen fällt und vom Himmel der Schnee und nicht dahin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, sie befruchtet und sie sprießen lässt, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot dem Essenden, so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe.Jesaja 55,8-11

Weitere Stellen: Jeremia 29,11 / Psalm 33,10+11 / Psalm 139,17+18 / Jesaja 40,13+14 /  1. Korinther 2,6-16

Unsere menschliche Fähigkeit, zu denken, Optionen abzuwägen, planend und verständig zu handeln und Ziele zu verfolgen, ist ein Abbild von Gottes Wesen und Handeln. Allerdings sind Gottes Gedanken und Pläne den unseren weit überlegen, denn sie sind nicht nur weiser und im Gegensatz zu unseren vollkommen, sondern sie erreichen immer ihr Ziel.

Ein fühlender Gott

Beim Anblick der weinenden Frau und der Juden, die sie begleiteten und mit ihr weinten, erfüllten ihn Zorn und Schmerz. Bis ins Innerste erschüttert,  fragte er: »Wo habt ihr ihn begraben?« Die Leute antworteten: »Herr, komm mit, wir zeigen es dir!« Jesu Augen füllten sich mit Tränen.  »Seht, wie lieb er ihn gehabt hat!«, sagten die Juden. Und einige von ihnen meinten: »Er hat doch den Mann, der blind war, geheilt. Hätte er da nicht auch machen können, dass Lazarus nicht stirbt?« Während Jesus nun zum Grab ging, erfüllten ihn von neuem Zorn und Schmerz. Lazarus lag in einem Höhlengrab, dessen Eingang mit einem großen Stein verschlossen war.Johannes 11,33-38

Weitere Stellen: 5.Mose 32,16+21 / Hosea 11,8 / Zefanja 3,17 / Lukas 10,21 / Markus 3,5 / Markus 10,14

Auch Gefühle sind nicht ursprünglich ein rein menschliches Phänomen. Gott selbst agiert nicht nur denkend und handelnd, sondern auch fühlend. Im Gegensatz zu unseren Emotionen sind seine Gefühle jedoch vollkommen perfekt, angemessen und heilig. Gott fühlt brennende Eifersucht, als sein Volk Ihn verlässt und sich anderen Götzen zuwendet. Sein lodernder Zorn richtet sich auf Ungerechtigkeit. Vor Mitleid mit seinem leidenden Volk dreht sich ihm das Herz um. Seine unbegreifliche Liebe zu uns Menschen besitzt auch eine zutiefst affektive Dimension. Über sein zurückgewonnenes und geliebtes Volk jubelt Gott und schweigt von Liebe ergriffen. In Jesus wird besonders deutlich, wie geheiligte, gute und angemessene Gefühle aussehen.

Verstand und Gefühle unter Sünde

Die Menschen haben also keine Entschuldigung,  denn trotz allem, was sie über Gott wussten, erwiesen sie ihm nicht die Ehre, die ihm zukommt, und blieben ihm den Dank schuldig. Sie verloren sich in sinnlosen Gedankengängen, und in ihren Herzen, denen jede Einsicht fehlte, wurde es finster. Weil sie sich für klug hielten, sind sie zu Narren geworden. […] Und da die Menschen es nach ihrem eigenen Urteil nicht nötig hatten, Gott anzuerkennen, hat Gott sie ihrem Verstand preisgegeben, der zu keinem vernünftigen Urteil mehr fähig ist, sodass sie Dinge tun, die sie nie tun dürften. Es gibt keine Art von Unrecht, Bosheit, Gier oder Gemeinheit, die bei ihnen nicht zu finden ist. Ihr Leben ist voll von Neid, Mord, Streit, Betrug und Hinterhältigkeit. Sie reden abfällig über ihre Mitmenschen und verleumden sie. Gottesverächter sind sie, gewalttätige, arrogante und großtuerische Menschen, erfinderisch, wenn es darum geht, Böses zu tun. Sie gehorchen ihren Eltern nicht und sind unbelehrbar, gewissenlos, gefühllos und unbarmherzig. Und obwohl sie genau wissen, dass die, die so handeln, nach Gottes gerechtem Urteil den Tod verdienen, lassen sie sich nicht von ihrem Tun abbringen, im Gegenteil, sie finden es sogar noch gut, wenn andere genauso verkehrt handeln wie sie.Römer 1,21-22 / Römer 1, 28-32

Unser Verstand und unsere Gefühle sind also ursprünglich beide gut und göttlich. Erst durch die Sünde kommen wir zu Problemen mit beiden. Paulus findet sehr deutliche Worte für den Zustand unseres Verstandes und unserer Gefühle seit wir als  Menschen unter dem Einfluss von Sünde und Gottlosigkeit stehen. Verdrehte und hinterlistige Gedanken, unkontrollierbare Begehrlichkeiten, Selbstsucht, Hassgefühle, Mitleidlosigkeit, stolzes Denken und Starrsinn sowie ein genereller Hang zum Bösen sind das Ergebnis unserer Ablehnung gegenüber Gott. Beide – unser Denken und unser Fühlen – sind durch die Sünde verzerrt. Beide brauchen Erlösung und Vergebung. Beide brauchen es, von Gott geheiligt werden.

Guter Umgang mit unserem Verstand und unseren Gefühlen

Die Waffen, mit denen wir unseren Kampf führen, sind nicht die Waffen dieser Welt. Es sind Waffen von durchschlagender Kraft, die dazu dienen, im Einsatz für Gott feindliche Festungen zu zerstören. Mit diesen Waffen bringen wir eigenmächtige Gedankengebäude zum Einsturz und reißen allen menschlichen Hochmut nieder, der sich gegen die wahre Gotteserkenntnis auflehnt. Das ganze selbstherrliche Denken nehmen wir gefangen, damit es Christus gehorsam wird.2.Korinther 10,4-5

Weitere Stellen: Psalm 32 / Psalm 34 / Psalm 22 / 2.Samuel 6,12-15 / Psalm 42

Unser Verstand und unsere Gefühle benötigen beide Gottes erlösendes und heiligendes Handeln an uns. Wie können und sollen wir im Licht dessen mit unserem Verstand und unseren Gefühlen umgehen?

Insbesondere die Psalmen zeigen uns vorbildhaft, wie ein gottesfürchtiger und ehrlicher Umgang sowohl mit guten als auch mit schädlichen Gefühlen möglich ist. Gerade König David demonstriert hier eine erstaunliche, vertrauensvolle Aufrichtigkeit gegenüber Gott. In seiner Freude über Gott tanzt er vor der Bundeslade, die nach Jerusalem gebracht wird, wie ein kleines Kind. Andererseits bringt er ebenso ehrlich, ohne zu schönen oder zu verschweigen seine tiefsten Ängste, seinen Frust, Gefühle von Gottverlassenheit und Enttäuschung, Scham und Anklage vor Gott. Doch er bleibt nicht dort stehen. Immer wieder ruft er sich Gottes Wahrheiten ins Gedächtnis, um seine Gefühle damit zu konfrontieren und ins Licht zu bringen.

Genau so notwendig ist es, unseren von der Sünde getrübten Verstand mit unseren Gedanken, Plänen und Entscheidungen Gott hinzuhalten und von seiner Wahrheit verändern zu lassen.