Trauer durchleben

Was Menschen durchmachen, die einen geliebten Menschen verloren haben oder einen großen Verlust erlitten, wird hier in vier Phasen deutlich gemacht, um Betroffene besser zu verstehen.
Trauer durchleben

TRAUER. Ein rotes Tuch in unserer Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der der Tod weitgehend in Krankenhäuser und Altenheime verbannt wird. Laut Definition beschreibt der Begriff „Trauer“ einen emotionalen Zustand und einen Prozess der Bewältigung, ausgelöst durch Krankheit, Tod oder einen größeren Verlust. Viele Menschen haben versucht ein Muster zu entwickeln, das Außenstehenden hilft, die Trauernden zu verstehen. Meistens unterscheidet man vier Phasen, die allerdings nicht stereotypisch sind. Im Folgenden sind diese Phasen erläutert.

Der „Schock“ oder die Phase des „Nicht-wahrhaben-Wollens“

Nach dem plötzlichen Tod eines geliebten Menschen steht der Trauernde unter Schock. Das Geschehene kann nicht wirklich begriffen werden. Er befindet sich in einer Art Trance oder Starre, ist empfindungslos und kann vielleicht nicht einmal weinen. Das liegt keineswegs an Gefühllosigkeit, im Gegenteil. Menschen können sich unbewusst kontrollieren, um sich vor einer vollen emotionalen Auswirkung zu schützen. Durch die Beerdingung und die Anwesenheit der näheren Verwandtschaft bringt sich manch ein Trauernder in einen Kontrollzustand, der für eine angemessene Bestattung erforderlich ist. Er erfährt sich selbst wie gelähmt und fühlt sich nicht fähig Entscheidungen zu treffen. Der Betroffene ist ein entfernter Beobachter der Geschehnisse. Andere Trauernde können in dieser Situation wiederum nicht gefasst sein. Hier geht die Schockphase häufig in starkes Weinen über. Die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die mit dem Verlust einhergehen, hängen stark von den Umständen des Todes ab. Je nach Ausprägung des Schocks dauert diese Phase wenige Stunden oder auch mehrere Tage an. Diese kann auch körperliche Symptome wie schneller Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit oder motorische Unruhe mit sich bringen.

Bloße Anwesenheit von nahestehenden Personen kann helfen, dass sich der Betroffene nicht so alleine fühlt. Ratschläge und Erklärungsversuche sollten allerdings vermieden werden. Besser ist es, eine Schulter zum Anlehnen zu bieten und zu versuchen zu trösten.

Die Phase der aufbrechenden Emotionen

Der Verlust wird nun bewusster wahrgenommen. Der Trauernde durchlebt ein Gefühlschaos. Wut, Trauer, Zorn, Schmerz, Angst, Verzweiflung, Depression, Schuldgefühle. Was davon mehr oder weniger stark ausgeprägt ist, hängt von der Persönlichkeit des Trauernden ab. Introvertierte Menschen empfinden eher Schmerz, Angst oder Verzweiflung, Choleriker eher Zorn und Wut. Oftmals wechselt das Befinden sprunghaft. Das macht den Umgang für nahestehende Personen schwierig. Gerade wenn sich bei den Trauernden Schuldgefühle oder Gewissensbisse einstellen. Es wird befürchtet nicht alles Menschenmögliche getan oder etwas vergessen zu haben. Sie stellen sich die Frage, was sie zuletzt zu dem Verstorbenen gesagt haben, ob sie sich verabschiedet haben oder sie ihre Liebe zum Ausdruck brachten.

Gutes Zureden kann helfen sinnlose Schuldzuweisungen zu vermeiden.

Trotz der ausbrechenden Gefühle isoliert sich der Trauernde. Er befasst sich ausschließlich mit dem Verstorbenen, wobei alles andere in den Hintergrund rückt. Für alles wird ein Schuldiger gesucht und der Verlust wird vielleicht sogar als Strafe Gottes angesehen. Auf jede Kleinigkeit wie Symptome, die eigentlich nichts mit dem direkten Tod zu tun haben, wird geachtet und auf den Tod zurückgeführt.  Trauern ist wichtig, um das Geschehene verarbeiten zu können und eine neue Perspektive zu finden Die verstorbene Person wird dabei übergeneralisiert. Entweder verachtet der Trauernde sie, da sie ihn verlassen hat, oder er glorifiziert sie. Hier werden jegliche Eigenschaften in den Himmel gehoben. Der Trauernde verliert also den Sinn für die Realität. Verlust löst eine Art Leere in dem Betroffenen aus. Dieser zieht sich häufig zurück, auch wenn er sich Kontakt zu anderen Personen eigentlich wünscht.

Darum sollte die Person nicht gemieden, sondern eher in ihrer Trauer begleitet werden. Auch wenn man auf Gegenwehr stößt, was bei den aufkommenden Gefühlen normal ist.

Eine andere Art des Rückzugs kann auch eine übertriebene Aktivität sein. Viele Dinge werden unternommen. Allerdings verliert der Betroffene meist schon nach kurzer Zeit das Interesse an einer Sache. In die gewohnte Routine zurückzukehren ist äußerst schwierig, da sie von gemeinsamen Aktivitäten geprägt war und somit an die verstorbene Person erinnert. Trotzdem ist es wichtig so schnell wie möglich eigene Entscheidungen zu treffen und nicht bevormundet zu werden. Das kann auch in der nächsten Phase hilfreich sein.

Die Phase des Suchens und Sich–Trennens

In dieser Phase sucht der Trauernde immer wieder nach dem Verstorbenen. Das kann an bestimmten Orten sein oder in anderen Menschen, seien es Gesichtszüge oder Gesten. Er übernimmt Gewohnheiten der Person um einen Teil der Beziehung aufrecht zu erhalten, erzählt Geschichten oder setzt sich innerlich mit ihm auseinander. Diese Suche nach dem Verstorbenen hilft dem Trauernden sich mit dem Tod abzufinden und ein Weiterleben ohne ihn zu akzeptieren. Innerlich kann er sich nun von dem Verlust trennen und ein realitätsgerechtes Bild aufbauen.

An bestimmten Tagen kann trotzdem die alte Trauer wieder aufkommen. Beispielsweise am Geburtstag des Verstorbenen, am Todestag, dem gemeinsamen Hochzeitstag oder auch an Weihnachten.

Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs

Dem Trauernden ist es jetzt wieder möglich sein Leben zu gestalten. Er ist nun nicht mehr nur mit dem Verstorbenen beschäftigt. Es wurden Wege gefunden positiv mit dem Verstorbenen umzugehen, ihn vielleicht als einen inneren Begleiter zu betrachten. Eine Neuorientierung steht an um sich in der Welt zurechtzufinden, als eine Art neuer Mensch.

Trauern ist wichtig, um das Geschehene verarbeiten zu können und eine neue Perspektive zu finden. Jeder Mensch benutzt dafür einen anderen Weg durch das ‚Tal’. Die Phasen laufen also nicht immer idealtypisch ab. Viele Umstände können diesen Weg der Trauer beeinflussen. Faktoren wie unser Geschlecht und unsere Persönlichkeit und die momentane Lebenssituation, aber auch die Umstände des Todes und die Beziehung zum Verstorbenen, lassen manche Trauernde in einigen Phasen stagnieren. Diese dauern dann länger, da der Betroffene im Prozess der Bewältigung nicht weiterkommt.

TRAUER sollte für uns kein rotes Tuch bleiben. Wir sollten uns sensibilisieren für die Bedürfnisse von Trauernden, um sie zu unterstützen. Erkenne Trauer und reiche eine Hand, damit der Betroffene das Tal überwinden kann!