Selbstfürsorge - Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

Das Problem einer Leistungsgesellschaft Wir leben in Deutschland in einer Leistungsgesellschaft. Das bedeutet, dass unser Status, Einkommen und Einfluss …
Selbstfürsorge - Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

Das Problem einer Leistungsgesellschaft

Wir leben in Deutschland in einer Leistungsgesellschaft. Das bedeutet, dass unser Status, Einkommen und Einfluss von unseren eigenen Leistungen abhängt. Wir neigen dazu, unseren Wert aus Beziehungen, materiellem Besitz und Gesundheit zu ziehen – und uns darüber mit anderen zu vergleichen. Dieser Druck, immer mehr, immer das Neuste und das Beste zu besitzen oder zu leisten, kann zu einer mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie, fehlendem Freizeitausgleich sowie zu einem Gefühl von Stress und Überlastung führen.

Ich möchte niemand enttäuschen

Ich kenne dieses Gefühl sehr gut aus meinem eigenen Leben: Studium, Job, Gemeinde und Familie sind Bereiche, in denen ich gerne mein Bestes gebe und mich voll investieren möchte. Ich wollte möglichst viel leisten und dabei möglichst wenig Menschen enttäuschen. Um das zu erreichen, fing ich an mein Privatleben, Zeit für Gott, Ehe und Freizeit/Hobbies um die Aufgaben in Studium, Job und Gemeinde und um die Bedürfnisse anderer Menschen herumzubauen. Auf diese Art und Weise reduzierte ich die Anzahl der von mir enttäuschten Personen in meinen Augen stark: Die Person, die am meisten enttäuscht wurde, war ich selbst. In der Bibel finden wir die Aufforderungen, den Nächsten wie uns selbst zu lieben (Markus 12,31) sowie den anderen höher zu achten als uns selbst (Phil 2,3-4). Diese Verse trieben mich an, nicht nur meine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen, sondern auch über meine Grenzen zu gehen.

Die Zeit für mein Privatleben wurde weniger und weniger, bis Gott meinem „Aktivismus“ durch mehrere Umstände einen Riegel vorschob. Er zeigte mir, dass vor allem drei Probleme mich in diese Situation getrieben hatten:

1. Der Gedanke, durch mein Organisationsfähigkeit, meine Disziplin und Struktur nahezu unerschöpfliche Ressourcen für Menschen und Aufgaben zu haben.

2. Die Ansicht, meinen Wert über Leistung definieren zu müssen.

3. Die Angst, Menschen zu enttäuschen.

Selbstaufgabe ist doch etwas gutes?

Betrachtet man den Vers aus Philipper 2 genauer, wird deutlich, dass keine Selbstaufgabe von uns verlangt wird. Stattdessen werden wir dazu aufgefordert, uns nicht NUR mit uns selbst zu beschäftigen, sondern auch unsere Mitmenschen im Blick zu haben: „Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl.“ (Phil 2,4). Ebenso zeigt auch das Adverb „wie“ in Markus 12,31, dass es sich um eine Gleichheit zwischen der Liebe für unseren Nächsten und uns handelt: „Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst“.

Die Bibel zeigt uns an vielen Stellen, wie unsere Nächstenliebe aussehen kann: Wir sollen einander annehmen (Römer 15,7), uns gegenseitig achten (1. Korinther 16,11), einander durch Liebe dienen (Galater 5,13), einander nicht herausfordern oder beneiden (Galater 5,26), die Lasten des anderen tragen (Galater 6,2) freundlich sein und einander vergeben (Epheser 4,32), einander trösten (Thessalonicher 4,18), einander ermutigen, ermahnen, anerkennen und achten (1. Thessalonicher 5,12-13) und einander zu Liebe und guten Werken anspornen (Hebräer 10,24). Es gibt noch viele weitere Verse, die uns Nächstenliebe praktisch näherbringen.

Was bedeutet Selbstliebe?

Thomas Härry widmet dieser Frage in seinem Buch „Von der Kunst, sich selbst zu führen“ ein ganzes, hundert Seiten starkes Kapitel. Er bezeichnet diese „Selbstliebe“ als „Selbstfürsorge“.  Dabei geht es für ihn nicht um Autonomie und Egozentriertheit, die die individualistische Sicht über das Leben prägen. Vielmehr sieht er in der Selbstfürsorge die „von Gott zugewiesene Verantwortung für einige Aspekte meines Wohlergehens“ (S.110). Ohne Selbstfürsorge verschiebt sich unser Dienst an dem Anderen hin zu einem Dienst an uns selbst – wir geben, um etwas zu bekommen. Diese ständige Erwartungshaltung, durch Geben unseren Tank füllen zu können, richtet den Fokus auf unsere eigenen Bedürfnisse.

Härry sieht in der Selbstfürsorge den Vorgang, wichtige Ressourcen wieder aufzufüllen und dadurch ausgerüstet zu werden, bedingungslos lieben, geben und dienen zu können:

„Meine versorgte und gesättigte Seele ist meine wichtigste Ressource, um ermutigt arbeiten und Menschen dienen zu können. Es ist eine Seele, die von der persönlichen Begegnung mit Christus herkommt und deshalb mit Zufriedenheit, Vertrauen und Liebe erfüllt ist.“ Thomas Härry

Das Buchkapitel behandelt drei Ressourcen, die für die Selbstfürsorge wichtig sind:

  1. Zeit mit Gott (Spiritualität)
  2. Beziehungen
  3. seelische und körperliche Vitalität

Zeit mit Gott

Die zwei großen Quellen für unsere geistliche Versorgung sind die Bibel und das Gebet. Sie helfen uns, Gottes Willen zu verstehen, unseren Glauben zu stärken und uns Jesus ähnlicher zu machen. Gott heilt, erneuert und verändert uns in der Zeit, die wir mit ihm verbringen. Spiritualität beinhaltet daher, unseren Fokus im Alltag auf Gott zu richten und ihn mit einzubeziehen: Er wird uns Kraft geben für unsere Aufgaben (Jesaja 40:29-31).

Mir ging es lange Zeit so, dass ich zwar wusste, dass ich eigentlich Gottes Kraft in meinem Alltag brauchte, die Zeit dann aber lieber für das Erledigen von To-Do’s genutzt habe. Wo wir bei meinem ersten Problem wären: Anstatt bei Gott aufzutanken, verließ ich mich mehr auf meine eigene Kraft. Mir fiel es unglaublich schwer, mit dem Alltag im Hinterkopf vor Gott still zu werden und einfach nichts zu leisten. Diese Zeit fühlte sich nicht produktiv und damit nicht gut an. Vielleicht kennst du die Gedanken auch, wenn es um Zeit mit Gott geht. Wenn es nicht die fehlende Zeit oder Ruhe ist, ist es die fehlende Lust, die leichte Ablenkung durch unsere Umgebung oder unsere Müdigkeit, die uns von der Zeit mit Gott abhält.

Wenn wir uns Jesus anschauen sehen wir, dass er all diese vorgeschobenen Gründe nicht kannte. Lukas 5,14-16 zeigt, dass sich Jesus trotz vieler To-Do’s (Kranke, die von ihm geheilt werden wollten) zurückzog, um zu beten und sich auf Gott auszurichten. Wenn Jesus eine große, und bestimmt laute und teilweise verzweifelte, Volksmenge zurückließ, um Ruhe vor Gott zu finden, dann sollte es mir doch auch gelingen, meine stummen To-Do’s wie Uni, Haushalt oder Gemeindeaufgaben für diese wertvolle Zeit beiseite zu legen.

Ein weiterer Gedanke aus der Bibel hilft mir dabei, diese Ruhe in einem stressigen Alltag zu finden: Gott sieht nicht auf meine Leistungen, sondern auf mein Herz. Gott sieht nicht auf meine Leistungen, sondern auf mein Herz. Das sehen wir an Marta, der leistungsorientierten Gastgeberin und Maria, welche die Gelegenheit nutzt um vor Jesus Füßen zu sitzen und auf ihn zu hören. Auf Martas Aufforderung, Jesus solle Maria sagen Marta im Haushalt zu helfen, antwortet Jesus:

„Martha, Martha! Du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge; eines aber ist not. Maria aber hat das gute Teil erwählt, welches nicht von ihr genommen werden wird.“

Ich kann mir meinen Stand vor ihm nicht durch Leistungen verdienen (mein zweites Problem: Definition durch Leistung) – das hat Jesus bereits für mich am Kreuz getan. Was ich aber tun kann, ist wie Maria in meinem Alltag still zu werden, und das Gute von Jesus anzunehmen.

Praktisch werden:

Auch wenn Gott bereits viel an meiner Einstellung verändert hat, fällt es mir nicht immer leicht, mich in Ruhe auf ihn auszurichten. Folgende Dinge helfen mir:

  • Feste Zeiten mit Gott – ich liebe es, mit ihm in den Tag zu starten
  • Gemütliche Zeiten mit Gott – Tee, eine Kleinigkeit zu Essen, Kerzen, eine warme Decke helfen mir, die Zeit zu einer schönen, erholsamen Zeit zu machen und nicht zu einer Pflichtroutine, die man möglichst schnell absitzen möchte
  • Abwechslungsreiche Zeiten mit Gott – mal studiere ich ein Bibelbuch intensiv, mal lese ich flächendeckend; mal bete ich zu Hause, mal in der Natur; mal singe ich nur ein zwei Lieder, mal mach ich meine eigene ausgedehnte Worship Zeit – Hauptsache ich öffne mein Herz für Jesus und richte mich auf ihn aus.

Mittlerweile gehe ich jeden Morgen meine Aufgaben für den Tag mit Gott durch und bitte ihn, mir zu zeigen, welche davon wirklich relevant und dringlich sind. So habe ich am Ende des Tages Frieden über die Dinge, die ich geschafft und vor allem aber auch über die Dinge, die ich nicht geschafft habe. Zusätzlich schafft der verminderte Leistungsdruck Raum, auf Gottes Reden in meinem Alltag zu hören. Denn wie Thomas Härry es so treffend ausgedrückt hat:

„Dass ich ein in Gott eingesenktes Herz habe, ist wichtiger als der Leistungsausweis unserer Stressgesellschaft!“

Beziehungen

Beziehungen aufzubauen und zu pflegen kostet Zeit und Kraft – zwei Mittel, die jedem von uns nur begrenzt zur Verfügung stehen. Wir können nicht zu jedem Menschen in unserem Umfeld eine Beziehung aufbauen, weshalb es wichtig ist zu prüfen, in wen Gott möchte, dass wir investieren.

Es gibt verschiedene Arten von Beziehungen: Beziehungen, die vor allem von meinem Geben geprägt sind (bspw. als Mentor), Beziehungen, die vor allem von meinem Nehmen geprägt sind (bspw. als Mentee) und Beziehungen, die ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen darstellen (bspw. Freundschaften). Um in Beziehungen der gebende Teil sein zu können ist es wichtig, mit einem vollen Tank an den Start zu gehen. Ist der Tank nicht voll, fällt es uns schwer, von Gottes Liebe weiterzugeben. Zapfen wir seine Kraft nicht an, werden wir schnell durch diese Beziehungen ausgelaugt.

Ich habe das erlebt. Eine Zeit lang habe ich mich „bewusst“ auf Beziehungen fokussiert, in denen ich der gebende Part war – das war ein Ausdruck meiner Nächstenliebe. Stetig der Ermutiger, Korrektor und Förderer zu sein, strengte mich ungemein an. Ich sehnte mich nach einer Beziehung, in der ich mal auftanken konnte. Einer Beziehung, die von Gegenseitigkeit geprägt war. Also fing ich an dafür zu beten. Und Gott zeigte mir, welche meiner gebenden Beziehungen den Raum für tragende Freundschaften versperrten. Mittlerweile habe ich einige tiefe Freundschaften, in denen ich ehrlich sein und auftanken kann. Wir ermutigen, fördern und korrigieren uns gegenseitig und gehen dadurch gemeinsam Schritte im Glauben. Wir helfen uns durch traurige, leidvolle, von Zweifeln durchsetze Zeiten und feiern die Geschenke Gottes zusammen. Das sehen wir auch an den Jüngern, die stets mindestens zu zweit auf Missionsreise waren, um sich gegenseitig zu stärken und zu ermahnen.

Das gibt mir Kraft für die Beziehungen, in denen mich Gott als Geber vorgesehen hat.

„Unsere wertvollsten Gefährten sind Gottes verlängerter Arm für uns. Sie sind unsere Fürsprecher und unsere Freisprecher – und damit nichts anderes als das, was Gott selbst für uns ist“ Thomas Härry

Praktisch werden:

Zu begreifen, dass ich nicht zu allen Menschen eine Beziehung aufbauen kann, hat mir geholfen, fokussierter mit meiner vorhandenen Kraft und Zeit umzugehen. Unter diesem Aspekt bestimmte Beziehungen nicht aufzubauen, kann zwar zunächst zu Enttäuschung bei anderen führen. Die große Enttäuschung tritt jedoch erst ein, wenn ich etwas zusage, dass ich aufgrund meiner limitierten Ressourcen nicht halten kann. Folgende Punkte helfen mir persönlich dabei, Stück für Stück an meinem dritten Problem, der Angst Menschen zu enttäuschen, zu arbeiten:

  • Für Beziehungen beten – Als ich eine brauchte, gefragt wurde eine zu starten oder das Ende erlebt habe: Ich habe stets dafür gebetet und Gott gebeten mir zu zeigen, in wen ich auf welche Art und Weise meine Zeit und Kraft investieren sollte
  • Viele Beziehungen bedeuten weniger Qualität – je mehr man in eine Beziehung investiert, desto tiefer wird sie. Viele tiefe Beziehungen zu haben, ist daher schwierig. Deshalb versuche ich, nicht zu viele Beziehungen, in denen man sich in kurzen Abständen trifft, zu haben, um diese besser pflegen zu können.
  • Beziehungen in den Alltag einbauen – Beziehungspflege lässt sich teilweise gut mit anderen Dingen kombinieren, bspw. mit einem Spaziergang, beim Sport oder Kreativ werden. Mahlzeiten eignen sich ebenfalls gut, schließlich muss jeder von uns mal essen. Auch Telefonate können mit Spazieren gehen, dem Arbeitsweg, Kochen, Aufräumen oder ähnlichem kombiniert werden. Wichtig ist nur, den Fokus bei all dem Multitasking auf der Beziehung halten zu können, damit die Qualität des Austausches nicht darunter leidet.

Seelische und körperliche Vitalität

Mir persönlich fällt dieser Punkt am schwierigsten, weil es darum geht einfach mal abzuschalten, die Seele baumeln zu lassen und sich etwas zu gönnen. Es sind Zeiten, in denen man zur Ruhe kommen und einfach man selbst sein kann, ohne jemandem etwas beweisen zu müssen. Wenn wir in unserer Familie, auf der Arbeit oder in der Gemeinde alles geben, fordert uns das geistlich, physisch und psychisch heraus und entzieht uns Kraft. Daher ist es nötig, Ruhephasen einzubauen, um für neue Aufgaben gewappnet zu sein.

1. Mose 2,2-3 zeigt uns, dass auch Gott nach einer langen „Anstrengung“ ruhte:

„Und Gott hatte am siebten Tage sein Werk vollendet, das er gemacht hatte; und er ruhte am siebten Tage von all seinem Werk, das er gemacht hatte. 3Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an demselben ruhte er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte, indem er es machte.“

Gott nimmt sich eine Pause, nachdem er an sechs Tagen hintereinander die Welt geschaffen hat. Wenn Gott, der Allmächtige, dem nichts unmöglich ist, sich bewusst Zeit für eine Pause nimmt, wie viel mehr sollten wir das tun? Jesus nahm sich eine Ruhephase während der Überfahrt und schlief, als das Boot mit seinen Jüngern in einen Sturm geriet (Matthäus 8,24). Er, der jeden Tag den Menschen diente, nahm sich Auszeiten – nicht nur für seine Zeit mit Gott, sondern auch für seinen Köper.

Thomas Härry führt einige Punkte auf, welche die seelische und körperliche Vitalität fördern können, indem wir uns bewusst Ruhezeiten schaffen: Sabbat, Feierabend, Schlaf, Auszeiten, medienfreie Zeiten und Bewegung an der frischen Luft. Einiges davon ist meiner Meinung nach sinnvoll, im Kalender eingetragen zu werden. Grundsätzlich hilft es, ein Gespür für den Körper und seine Bedürfnisse zu entwickeln und die Flexibilität mitzubringen, ihm Ruhephasen auch spontan einräumen zu können. Denn so wie ein Fahrrad mit einem kaputten Reifen zwar noch fährt, aber langsam die Felge kaputt macht, funktioniert der menschliche Körper zwar lange ohne ausreichend Ruhe, macht sich dabei aber selbst kaputt.

Praktisch werden:

Einige Punkte, die Thomas Härry aufführt, habe ich für mich auf etwas schmerzhaftere Art und Weise als durch das Lesen des Buches lernen müssen. Aber dafür habe ich wirklich merken dürfen, wie Gott diese Zeiten gesegnet hat und wie sehr mein Körper sie braucht.

  • Sabbat: Mein Mann und ich haben uns irgendwann vorgenommen, den Samstagvormittag für uns zu blocken und im Kalender zu notieren. Wir schlafen aus, frühstücken entspannt zusammen, lesen eine Andacht und genießen vor allem die Ruhe von der vollen Woche. Das klappt nicht immer – Samstags sind öfter Hochzeiten, Geburtstage oder sonstige Anlässe – aber auch hier kann man sich ein wenig Flexibilität erlauben.
  • Feierabend: Mir tut es gut, nach dem Abendessen abzuschalten und nur noch Dinge zu tun, auf die ich Lust habe: Sport, Haushalt, Freunde treffen, lesen – egal was, Hauptsache mir ist wirklich danach. In dem Punkt bin ich besonders schlecht, da ich mir doch noch oft meine to-do Liste vor Augen halte. Es ist also ein schleichender Prozess.
  • Schlaf: Schlaf wird meiner Meinung in unserer Leistungsgesellschaft viel zu sehr unterschätzt. Der Körper braucht eine bestimmte Schlafspanne, um sich regenerieren zu können. Diese zu erreichen, ist gar nicht so leicht umzusetzen, wenn man sich abends mit Freunden oder der Jugend trifft, dadurch spät ins Bett kommt und morgens früh wieder aufstehen muss. Ich versuche, mir nach mehreren langen Abenden einen freien Abend einzuplanen, an dem ich ins Bett gehen kann, wann ich möchte. Zusätzlich lernen wir immer mehr auf uns zu achten und auch mal ein Treffen dann zu beenden, wenn es am schönsten ist – um eben auch ein wenig Schlaf zu bekommen.
  • Elektronikfreie Zeiten: Das Smartphone hat uns heutzutage voll im Griff. Wenn mir langweilig ist, greife ich schnell mal zum Smartphone und scrolle alle möglichen Kanäle nach neuen Informationen durch. Das klaut nicht nur wertvolle Zeit, sondern ist auch nicht erholsam. Ich versuche daher mein Handy auf laut im Nebenzimmer zu parken und nur bewusst, also mit einem Ziel, aufs Handy zu schauen. Mir hilft es zusätzlich, das Smartphone abends auszuschalten und es erst am nächsten Morgen, nach meiner stillen Zeit, wieder einzuschalten, um in Ruhe in den neuen Tag starten zu können.
  • Frische Luft & Bewegung: Ein weiterer wichtiger Punkt, um den Kopf freizubekommen und den Körper zu bewegen. Gerade Fahrradfahren oder Spaziergänge lassen sich gut in den Alltag integrieren: ein kleiner Umweg auf dem Weg zum Einkaufen, ein Treffen mit Freunden an der frischen Luft, Fahrrad als Alternative zum Auto,… Ich versuche mich täglich mindestens eine halbe Stunde bewusst an der frischen Luft zu bewegen, entweder durch Sport oder spazieren gehen.

Und jetzt?

Das war jetzt alles viel auf einmal. Vielleicht denkst du dir: Ich würde gerne mal mehr auf mich achten, aber meine Lebensumstände lassen das gerade nicht zu. Auch solche Phasen gibt es, in denen wir, gerade durch Schicksalsschläge oder Missachtung der Selbstfürsorge über längere Zeit, an die Grenzen unserer Kräfte kommen. Notversorgung steht dann hier im Vordergrund. Versuche dir mit einigen Handgriffen etwas Ruhezeit zu verschaffen: Sage alles, was nicht wirklich dringend ist ab und ruhe dich aus. Gib deinen engen Freunden Bescheid. Bitte sie um Unterstützung und lass für dich beten. Reflektiere, welche Dinge du in Zukunft leisten kannst und welche nicht. Und lass dich von Gottes Kraft füllen.

Ich möchte dich, und vor allem mich, mit diesem Artikel ermutigen, (noch einmal) neu über das Thema Selbstfürsorge nachzudenken. Ich habe das Thema, besonders Ruhephasen, lange Zeit vernachlässigt, da ich keine Person werden wollte, die sich nur um sich selbst dreht. Ich wollte Gott, der Gemeinde und anderen Menschen meine Zeit und Kraft zur Verfügung stellen. Auch ich habe gemerkt, dass beide Ressourcen endlich sind und meine Grenzen vielleicht noch schneller erreicht sind als bei anderen. Das anzunehmen und zu akzeptieren ist ein längerer Prozess. Natürlich kann man auch mit dem Thema Selbstfürsorge vom Pferd fallen, wenn man sich so viele Ruhezeiten nimmt, dass man nicht mehr ansprechbar ist oder sich in seinen Hobbies verliert. Um das zu vermeiden, bitte ich Gott täglich meine Zeiteinteilung zu prüfen und mir zu zeigen, was wirklich dran ist. Die Angst vor einem zu egozentrierten Leben ist gut und in gewissem Maße gesund, aber sie sollte uns nicht davon abhalten, uns WIE den anderen zu lieben.

Gib dir Zeit!

Selbstfürsorge ist nicht von heute auf morgen ein (selbstverständlicher) Bestandteil des Alltags. Zeiten für Selbstfürsorge müssen geplant, wahrgenommen und vor allem vor anderen und vor einem selbst geschützt und verteidigt werden. Es dauert vielleicht auch seine Zeit, bis der geeignete Rhythmus gefunden ist und du weißt, was dir guttut: Musizieren, Malen, Lesen, Sport machen, Kochen… der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Neben diesen Maßnahmen, die wir selbst ergreifen können und sollen, ist es Gott allein, der den Segen in diesen Zeiten schenken kann. Wie in Jesaja 30,23 zu lesen ist, ist es unsere Aufgabe zu säen – Gott aber schenkt die Umstände, um die Saat wachsen zu lassen.

Wenn wir lernen, Selbstfürsorge in unserem Leben immer praktischer werden zu lassen, werden wir eins merken: Wir haben weniger Zeit und schaffen nicht mehr all die to-do’s, die wir gerne machen würden. Wir müssen uns automatisch auf das Wesentliche fokussieren. Und das ist nach Thomas Härry ein Gewinn – wir machen weniger vom Möglichen und mehr vom Richtigen. Und für dieses Richtige sind wir geistlich, physisch und psychisch gestärkt und ausgerüstet.