„plötzlich und unerwartet…“

Der Tod bricht in mein Leben ein. Was hat mir geholfen das zu bewältigen? Wie kann ich andern helfen, die trauern? 8 Tipps, wie wir Trauernden helfen können.
„plötzlich und unerwartet…“

Der Tod bricht in mein Leben

6. September 1987. Besorgt fahre ich mit meinem kleinen Bruder und meiner Oma nach Hause. Was ist daheim los? Wir waren zu einem Besuch unterwegs. Meine Mutter rief uns an und bat uns schnell heimzukommen. Sie hätte Vater ins Krankenhaus bringen müssen. Voller Spannung kommen wir heim und stürzen ins Wohnzimmer.

Mutter weint, umarmt uns und sagt den Satz, den keiner von uns fassen kann: „Vater ist tot!“ Wie kann das sein? Wie ist das passiert? Warum? Warum er, der seine Familie, uns, liebevoll versorgte? Wie soll es jetzt weitergehen mit unserer Familie, mit unserem Geschäft? Mit unserem Leben?

Diese Fragen stürzten wie eine Flut auf mich ein. Mutter erzählte von dem plötzlichen Herzinfarkt und wie lange es gedauert hatte, bis der Rettungswagen kam. Schließlich war alles zu spät. Wir umarmten uns und weinten miteinander.

Was hat mir geholfen das zu bewältigen?

In dieser schlimmsten Stunde war es gut, nicht allein zu sein. Jetzt bewiesen die liebevollen Beziehungen in unserer Familie, was sie wert waren. Wir litten ähnlich unter dem schmerzhaften Verlust von Vater, Ehemann, Schwiegersohn. In diesem Leid konnten wir uns gegenseitig trösten und helfen.

Unsere Verwandten, Freunde und Bekannten nahmen bewusst Anteil. Damals erlebte ich, dass geteiltes Leid wirklich halbes Leid ist.

Meine Freunde begegneten mir mit ehrlichem Mitleid. Ihr Leben ging ansonsten normal weiter. Dazu luden sie mich immer wieder ein. Das tat mir gut, bei Freunden, die um meine Trauer wussten, echtes Mitgefühl, aber auch die Normalität zu erleben, die ich so nicht mehr hatte. Dadurch hatte ich einerseits Raum, meine Trauer auszudrücken, andererseits die Chance an ihrem „normalen“ Leben teilzuhaben.

Ich war damals 19 Jahre, hatte nach dem Abi gerade eine Ausbildung begonnen, die für mich sehr herausfordernd war. Meine Mutter entschied sich, das Geschäft, das mein Vater aufgebaut hatte, weiterzuführen. Ich sollte und wollte ihr dabei helfen. Das waren große Aufgaben, die viel Zeit und Kraft erforderten. Aber es gab uns auch eine hohe Motivation und half uns nicht in Trauerdepressionen zu verfallen. Dafür hatten wir einfach keine Zeit. Es gab genug zu tun. Und das war gut so. Durch die Hilfe lieber Menschen und durch Gott selbst durfte ich Trost und Heilung erleben, meine schmerzhafte Begegnung mit dem Tod verarbeiten.

Neben liebevollen Familienbeziehungen, echten Freunden und herausfordernder Arbeit erlebte ich damals Trost von Gott. Diese Konfrontation mit der Endgültigkeit des Todes stellte mich vor die Frage, warum Gott das zugelassen hat. Aus traditionell evangelischer Familie stammend war für mich klar, dass es Gott gibt. Nur die persönliche Beziehung zu ihm fehlte mir damals. Aber ich erinnerte mich an Bibelverse, die ich im Konfirmandenunterricht gelernt hatte. In dieser Zeit der Trauer suchte ich oft einfach die Stille, in meinem Zimmer oder auf langen einsamen Spaziergängen in der Natur. Dann betete ich zu Gott, brachte ihm mein Leid und stellte ihm die Fragen, die mir kein Mensch beantworten konnte. So fand ich einen Raum für meine Trauer, meinen Schmerz, meine Ängste und anderen Gefühle. Psalm 23 vom guten Hirten wurde mir zum Trost und weckte in mir den Wunsch, diesen guten Hirten kennenzulernen, wenn es möglich wäre.

So wurde dieses Leid über den Tod meines Vaters für mich und meine Familie der Weg zum Leben, auf dem wir schließlich den lebendigen und barmherzigen Gott persönlich kennenlernen durften.

Wie können wir andern helfen, die trauern?

Die Erfahrung vieler Trauernder ist, dass gerade dann, wenn sie die Hilfe ihrer Mitmenschen brauchen, niemand da ist. Das liegt nicht an Lieblosigkeit, sondern daran, dass die meisten Menschen nicht wissen, was sie sagen und tun sollen, wenn jemand trauert.

Darum will ich ein paar Tipps geben, wie wir Trauernden helfen können.

Ehrliches Mitleid zeigen

Der Verlust eines Angehörigen ist eine tiefe schmerzhafte Verletzung unserer Seele. Jesus selber hat das miterlebt, als er nach dem Tod des Lazarus dessen Schwestern Maria und Martha begegnete (Johannes 11,33). Jesus speiste sie nicht mit frommen Sprüchen ab, er begegnete ihnen in ihrem Schmerz voller Mitleid und weinte mit ihnen. So ein ehrliches und herzliches Mitleid über den schmerzlichen Verlust eines lieben Menschen tut einfach gut. Das haben wir nicht in uns, aber das dürfen wir uns von Gott schenken lassen, wenn wir Trauernden begegnen. Wenn wir für Trauernde beten, dass Gott sie tröstet, dürfen wir auch beten, dass Gott uns ehrliches Mitleid für sie schenkt. Vielleicht will Gott sie ja durch uns trösten.

Einfach da sein

Als Hiob sein unsagbar großes Leid erlebte, kamen seine drei Freunde und waren sieben Tage einfach nur schweigend bei ihm und weinten mit ihm. In dieser Zeit zeigten sie ihm echte Anteilnahme nur durch ihr Dasein und Mitweinen (Hiob 2,13). Auch wir brauchen keine großen Worte, wenn wir Trauernde trösten möchten. Aber wir können ihnen etwas von unserer Zeit schenken. Einfach für sie da sein und mitfühlen ist viel besser, als viele Worte machen.

Mitweinen

In unserer Kultur will jeder cool sein. Gefühle zeigen ist nicht „in“. Aber gerade wenn jemand den tiefen Schmerz der Trauer erlebt, ist es wesentlich für ihn, dass er Wege findet, diesen Schmerz auszudrücken. Tränen sind wie ein Überdruckventil für die Seele. Sie spülen einen guten Teil des Schmerzes aus der Tiefe unserer Seele heraus und erleichtern uns wirklich. Wir sollten uns nicht scheuen hinzugehen und ruhig und liebevoll zu trösten, wenn wir jemand weinen sehen. Und wenn Trauernde die Tränen unterdrücken, können wir ihnen helfen, wenn wir sie in Liebe und Anteilnahme dazu ermutigen, dass sie weinen dürfen. Weinen ist nicht uncool!

Tränen sind wie ein Überdruckventil für die Seele. Sie spülen einen guten Teil des Schmerzes aus der Tiefe unserer Seele heraus und erleichtern uns wirklich.

Dem Schmerz Raum geben

Trauernde leiden unter starkem Schmerz über den Verlust, den sie gerade erleben. Dieser Schmerz braucht Raum und Ausdrucksmöglichkeiten. Wenn wir Trauernde fragen, wie es ihnen geht, oder was sie gerade fühlen oder was sie sich wünschen, dann können diese einfachen Fragen Hilfen für sie sein ihre Gedanken zu sortieren und Worte dafür zu finden, was sie gerade fühlen. Der Ausdruck dieser Trauer in Worten ist auch ein guter Schritt, damit besser fertig zu werden. Manche Menschen tun sich schwer, angemessene Worte zu finden. Ihnen kann es helfen andere Wege zu finden um sich auszudrücken. Dafür gibt es kreative Möglichkeiten wie malen, fotografieren, töpfern, musizieren, (Tagebuch) schreiben oder ähnliches. Dazu können wir Trauernde ermutigen oder einladen, mit ihnen gemeinsam so etwas zu machen.

Verstehen: Die Beerdigung ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang

Bei einer Beerdigung oder Trauerfeier kommen die meisten Verwandten und Freunde zusammen, nehmen Abschied vom Verstorbenen und versuchen die Angehörigen zu trösten. Das ist gut so. Aber die eigentliche Trauerarbeit für die Angehörigen geht danach erst los. Sie müssen lernen, den Tod, die endgültige Trennung von einer nahestehenden Person, zu akzeptieren. Sie müssen sich damit arrangieren, mit dem Verlust zu leben und lernen ihr Leben neu zu gestalten, in dem jetzt eine ganz wichtige Person fehlt. Das sollte uns klar werden. Darum ist es gut und hilfreich gerade in den Wochen und Monaten nach der Beerdigung immer wieder Kontakt zu suchen und sich zu melden.

Trauernde ertragen, auch wenn  sie mal seltsam reagieren

Es gibt verschiedene Phasen der Trauer. Dazu gehört auch eine (manchmal öfter wiederkehrende) Phase der chaotischen Gefühle. Dann kann es einfach passieren, dass Trauernde von verschiedenen Gefühlen übermannt werden und sich abweisend, aggressiv oder anders unangenehm verhalten. Wer Trauernde begleiten möchte, sollte das wissen und sich davon nicht irritieren lassen.

Sich angemessen an den Verstorbenen erinnern

Es kann hilfreich sein für Trauernde einfach zu erzählen, was sie mit dem Verstorbenen erlebt haben, was er oder sie für sie bedeutet hat. Dafür kann es auch gut sein, Trauernde mal zum Friedhof zu begleiten oder an Orte der gemeinsamen Erinnerung mit dem Verstorbenen. Auch wenn das am Anfang oft mit Tränen verbunden ist, ist es doch eine echte Hilfe den Verlust und den Schmerz darüber nach und nach zu verarbeiten. Für diese Gespräche sollten wir ein offenes Ohr haben und durch taktvolles Nachfragen auch mal dazu ermutigen.

Ins „normale Leben“ mitnehmen

Auch nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen geht das Leben weiter. Das müssen Trauernde verstehen und lernen. Das ist vielleicht die leichteste Aufgabe eines Freundes oder Begleiters, einen Trauernden an seinem „normalen“ Leben teilhaben zu lassen. Ich selbst stand etwa vier Wochen nach dem Tod meines Vaters vor der Frage, die Einladung zu einer Feier bei Freunden anzunehmen oder nicht. Ich bin froh, dass ich es getan habe. Heute noch, nach 25 Jahren, habe ich eine lebhafte Erinnerung an die bewegenden, teilnahmsvollen und heilsamen Gespräche, die wir damals im Freundeskreis führen konnten. Alle Menschen in meinem Bekanntenkreis, die Angehörige verloren haben, bestätigen, wie wichtig und heilsam das ganz normale Pflegen der freundschaftlichen Beziehung ist, gerade nach einem schmerzhaften Verlust.