Unentschieden

Wir nehmen unser Glück selbst in die Hand und geben dafür die eine Sache auf, die für unser Glück unerlässlich gewesen wäre: Gott.
Unentschieden

Überblick

Richter 1 führt uns in die Ausgangssituation und das Grundproblem Israels im Buch ein. Obwohl Gott sie, wie versprochen, das Land Kanaan erobern lässt, fehlt es den Israeliten an Vertrauen. Immer häufiger lassen sie sich von der Stärke der Völker im Land einschüchtern. Sie sind unentschieden.

Ziel

Den Jugendlichen Mut machen, sich ganz auf ein Leben als Christ festzulegen, ohne Lebensbereiche auszuklammern. Der Text ist eine dringliche Warnung, beim Gehorsam zu Gott keine halben Sachen zu machen. Aber er gibt uns auch die Hoffnung, die wir brauchen, um bei unserem Scheitern nicht zu verzweifeln.

Bibeltext

Richter 1,1 - 2,5

Hinweis: Die Textabschnitte in Erzählungen müssen oft länger gewählt werden, als wir es von neutestamentlichen Briefen oder einzelnen Gleichnissen gewöhnt sind. Gerade, wenn eure Jugendgruppe das nicht gewöhnt ist, ist es wichtig, das zu kommunizieren.

Einleitung

Um den Jugendlichen den Zugang zu dem herausfordernden Text zu erleichtern bietet es sich an, mit einem persönlichen Beispiel anzufangen. Ihr könnt als Mitarbeiter ehrlich (und kurz!) von einem Fall erzählen, wo es euch schwer gefallen ist oder auch noch schwer fällt, Gott ganz gehorsam zu sein, obwohl ihr eigentlich wisst, was Gott möchte. Das Beispiel sollte ehrlich sein, aber nicht die Grenze zum „Seelenstriptease“ überschreiten. Nach dem Beispiel leitet ihr dann zum Text über, indem es genau darum geht: Menschen, die sich damit schwer tun, Gott ganz gehorsam zu sein.

Erarbeitung

Was bisher geschah: Landnahme unter Josua

Das Buch beginnt mit einer Zeitangabe: „Nach dem Tod Josuas…“. Dieser Verweis soll uns beim Lesen auf mehr Aufmerksam machen, als nur eine grobe zeitliche Einordnung. Die Geschichte in Richter setzt da an, wo Josua aufgehört hat. Israel hat begonnen, das Land Kanaan zu erobern, aber sie sind noch nicht fertig. In vielen Gebieten wohnen noch kanaanitische Völker, die es zu vertreiben gilt. Um zu verstehen, was in Richter 1 passiert, müssen wir zumindest einige Punkte aus Josua aufgreifen.

  1. Josua 1,3-4: Gott hatte Israel genaue Grenzen gegeben, durch die ihr Land festgelegt ist. Damit ist aber auch Israels Aufgabe genau festgelegt: dieses ganze Land soll von ihnen erobert werden. Ohne Ausnahme.

  2. Josua 1,7-8: Israels Erfolgschancen werden nicht über ihre militärische Stärke oder strategischen Kniffe bestimmt. Ihr Festhalten an Gott, ihr Glaubensleben wird zur Erfolgsverheißung gemacht. Israel wird den Sieg nicht durch seine Kraft erringen. Gott wird ihnen das Land geben, während sie sich nur an Ihn halten sollen.

  3. Josua 23,7+12: Die Einwohner Kanaans dürfen nicht durch Bündnisse oder Versklavung erobert werden. Israel soll in einem Land wohnen, in dem sie nicht ständig versucht sind, andere Götter anzubeten als Yahweh. Dabei geht es nicht um eine ethnische Säuberung. Menschen wie Rahab, oder die Keniter (Richter 1,16) dürfen mit Israel im Land wohnen, weil sie Yahweh treu sind.

Das Buch Josua zeigt uns, dass Gottes Volk Ihm mutig gehorchen kann, weil Er seine Versprechen niemals bricht. Es gibt uns aber auch eine Messlatte, an der wir beurteilen können, inwiefern Israel tatsächlich gehorsam sein wird. Mit diesem Vorwissen wenden wir uns jetzt Richter 1 zu.

Richter 1: Halber Gehorsam

Wenn das ganze Buch Richter erzählt, wie sich das Volk Israel in einer Art Abwärtsspirale, trotz Gottes wiederholtem Eingreifen, immer weiter von Gott entfernt, zeigt uns Richter 1, wie die Geschichte ihren Anfang nahm.

Der Stamm Juda soll anfangen, seinen Teil des Landes zu erobern (Vers 2) und beginnt sofort mit einem Kompromiss. Sie ziehen tatsächlich, wie befohlen, in den Kampf, aber sie holen sich den Stamm Simeon zur Hilfe (Vers 3). Eine Art Risiko-Minimierung, falls Gottes Hilfe nicht so groß ausfällt, wie erhofft. Gott gibt Juda nichtsdestotrotz Erfolg: Sie erobern große Teile ihres verheißenen Stammesgebiets (Verse 4-11).

Bevor der Erzähler uns schildert, wie Juda und die anderen Stämme Israels zunehmend Misserfolge und Kompromisse einfahren, werden uns Kalebs Familie und die Keniter als positiver Kontrast vorgestellt (Verse 12-16). So wie Kalebs Familie und die Keniter sollte ganz Israel sein. Die Geschichte der Verlobung von Kalebs Tochter Achsa mag uns fremd anmuten, war aber durch die Brille des Alten Vorderen Orients betrachtet völlig normal. Wir mögen versucht sein, unsere modernen Anfragen an den Text zu stellen, „Wie kann Kaleb seine Tochter nur so verschachern?“, aber damit ignorieren wir, was der Text sagen will. Die Geschichte soll uns zeigen, wie ernst Kalebs Familie Gottes Gebote nimmt, sich das Land zu erobern und zur Heimat zu machen. Kaleb hätte als Vater ein hohes Brautgeld für Achsa fordern können, aber er lässt stattdessen die Eroberung Kirjat-Sefers gelten. Eine klare Ansage vom Familienpatriarchen: „Die Familienfinanzen sind gerade nicht wichtig. Wir haben ein Land zu erobern.“ Auch Achsas Bitte um Wasserquellen muss so verstanden werden. Wie ihr Vater nimmt Achsa Gottes Ansage ernst. Sie will in dem Land wohnen können, dass ihr zugeteilt wird. Dafür braucht sie Wasser -und ihr Vater stellt sich hinter ihr Anliegen. Ebenso die Keniter, die ihre Heimat gegen einen Wohnort bei den Israeliten eintauschen, um in der Nähe Jahwehs bleiben zu dürfen.

Bis jetzt war Richter 1 mehr oder weniger ermutigend. In den verbleibenden Berichten (Verse 18-36) häufen sich aber leider die Misserfolge. Juda wagt sich trotz der positiven Erfahrungen mit Gott nicht daran, die Einwohner der Ebene anzugreifen (Vers 19). Das Risiko, gegen die technisch überlegenen Streitwagen kämpfen zu müssen, ist ihnen zu hoch. Benjamin vertreibt die Jebusiter nicht (Vers 21). Das Haus Josefs, Manasse, Ephraim und Sebulon schließen verbotener Weise Bünde mit den Kanaanitern oder machen sie zu Zwangsarbeitern (Verse 22-30). Asser, Naftali und Dan schneiden noch schlechter ab und siedeln sich zwischen den Kanaanitern an (Verse 31-36). Die Messlatte aus Josua wird bereits im ersten Kapitel von Richter gerissen.

Was war passiert? Wieso scheitert Israel so drastisch in der Landeinnahme, obwohl doch alles so gut angefangen hatte?

Das Problem Israels ist ein zutiefst menschliches: Es fällt ihnen schwer, auf Gott zu vertrauen, wenn ihre Realität Gottes Aussagen entgegensteht. Sie wollen zwar (noch) grundsätzlich gehorsam sein, aber wenn der Gehorsam zu schwierig wird halten sie sich ein Vetorecht offen. Sie leben einen halben Gehorsam. Israel ist unentschieden.

Das Problem mit Unentschiedenheit ist, dass sie uns in der Regel einholt. Die Völker, die Israel in Richter nicht vertreibt, sind dieselben Völker, die Israel in seiner restlichen Geschichte zum Verhängnis werden. Sie vermischen sich mit Israel, werden ihnen zu militärischen Unterdrückern und – was am schlimmsten ist – sie verführen Israel dazu, andere Götter neben Yahweh zu stellen. Genau so, wie Gott es Josua vorausgesagt hatte.

Wir werden in der Anwendung auf diese Entdeckung zurückkommen. Aber um die größere Einbindung der Erzählung in Gottes Geschichte mit den Menschen nicht zu verpassen beschäftigen wir uns im Ausblick noch mit Richter 2,1-5.

Richter 2,1-5: Die Spannung – Gnade oder Gehorsam?

In Richter 1 haben wir gesehen, wie die Israeliten unentschieden gegenüber Gott waren. Wie wird Gott jetzt mit der Situation umgehen? Seine Bewertung ist eindeutig: „Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht. Was habt ihr da getan!“ (Vers 2). Gott legt den Finger in die Wunde. Für Israel mag es so ausgesehen haben, als ob ihr Veto gegen Gottes Plan rational vertretbar gewesen wäre. Ihr Erfolg würde nicht davon abhängen, ob sie militärisch stark genug wären, sondern davon, ob sie Gott gehorsam sind.„Gott wird schon verstehen, dass wir nicht gegen Streitwagen ankommen können!“ Aber Gott erinnert sich an das, was die Israeliten anscheinend vergessen haben. Ihr Erfolg würde nicht davon abhängen, ob sie militärisch stark genug wären, sondern davon, ob sie Gott gehorsam sind. Gott würde den Sieg geben, auch da, wo er nicht möglich scheint.

Wie oft geht es uns heute im Leben mit Gott ganz ähnlich! Unsere Treue zu Gott kommt vor allem da ins Wanken, wo wir vergessen, dass unser Leben in Wahrheit in seiner Hand liegt. Wir mögen glauben, dass wir für unsere Karriere, unsere Beziehung, unser Glück an bestimmten Stellen schlichtweg keine Wahl haben, als selber nachzuhelfen, oder einen Kompromiss mit Gott zu verhandeln. Wir nehmen unser Glück selbst in die Hand und geben dafür die eine Sache auf, die für unser Glück unerlässlich gewesen wäre: Gott. Den Gott über den Jesus sagt:

„Euer Vater im Himmel aber weiß, dass ihr das alles braucht. Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles dazugegeben.“ Matth. 6,32-33

Welche Anwendung sollen wir aus einem Text mit einer derart düsteren Warnung ziehen? Hatten wir nicht in der Einleitung zur Richter-Reihe noch davon gesprochen, dass wir gerade lernen müssen, das Alte Testament nicht auf ein „Tu dies und nicht das.“ zu reduzieren? Eine gutgemeinte Warnung kann Leben retten, aber sie kann uns auch frustrieren. Spätestens wenn wir schon häufig bemerkt haben, wie wir selbst Gottes Messlatte reißen, ist die Aufforderung „Sei Gott endlich ganz treu!“ mehr Hohn als Hilfe.

Gott selbst greift diese Spannung in Richter 2 auf. In Vers 1 spricht er davon, wie er Israel versprochen hat, ihnen das Land zu geben, aber in Vers 2 greift er auch auf, wie er dieses Versprechen an genau die Auflagen geknüpft hat, die die Israeliten gerade verfehlt hatten. Gott hatte Israel das Land versprochen, aber er hatte auch versprochen, es keinem ungehorsamen Israel zu geben. Gott ist gnädig und hatte Israel aus freien Stücken erwählt und zu einem großen Volk mit einem eigenen Land gemacht, aber Gott ist auch heilig und gerecht.

Wie wird diese Spannung aufgelöst werden?

Erst am Kreuz von Golgatha wird klar werden, wie Gott gleichzeitig gerecht und gnädig sein kann, ohne dass eine Eigenschaft die andere sabotiert. Er selbst kommt für die Ungerechtigkeit der Menschen auf, sodass Gott nicht ungerecht ist, wenn er den Menschen vergibt und ihnen erneut die Gemeinschaft mit sich selbst ermöglicht, die sie eigentlich durch ihre Sünde verspielt hatten (Römer 3,25-26). Erst am Kreuz von Golgatha wird klar werden, wie Gott gleichzeitig gerecht und gnädig sein kann, ohne dass eine Eigenschaft die andere sabotiert. Durch Jesu Tod und Auferstehung wird die höhnende Warnung aus der Geschichte von Richter 1 zu einer Warnung, die wir tatsächlich ohne Verzweiflung hören können: Unentschiedenheit gegenüber Gott ist eine Zeitbombe. Aber weil Gott seine Versprechen hält, dürfen wir Ihm nachfolgen, ohne Angst zu haben, dass die Rückschläge in unserer versuchten Treue unser Ende bedeuten. Oder wie Johannes es ausdrückt:

„Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand sündigt – wir haben einen Beistand bei dem Vater: Jesus Christus, den Gerechten.“ 1. Joh. 1,1

Anwendung

Die Anwendung kann in der Gruppe als Gespräch geführt werden. Weil die Fragen sehr persönlich werden können, bietet sich aber auch eine Zeit alleine mit den Fragen für die Jugendlichen an. Im Nachhinein könnte dann noch eine Möglichkeit zur Aussprache, ein Gebet für einander und die Möglichkeit zu persönlichen Gesprächen mit den Mitarbeitern angeschlossen werden.

Wenn wir aus Richter 1 eine Lektion für unser Leben mitnehmen wollen, dann ist es die oben genannte: Gott fordert unseren ganzen Gehorsam. Keine Unentschiedenheit. Diese Warnung wollen wir ernst nehmen und uns im Vertrauen auf Gottes Hilfe (Galater 5,16) fragen: Wo versuchen wir, Gott den Gehorsam in unserem Leben vorzuenthalten?

→ Wo sagen wir „Ich kann nicht damit aufhören.“, „Ich kann das nicht vergeben.“, „Ich kann darüber nicht sprechen.“, obwohl wir eigentlich meinen „Ich will das aber haben.“, „Ich will das aber nicht hergeben.“, „Ich will aber die Scham, den Schmerz nicht tragen müssen.“?

→ Inwiefern vergessen wir bei diesem „Ich kann nicht…“, was Gott versprochen hat? Welche Angst liegt hinter dem „Ich kann nicht…“, mit der wir eigentlich zu Gott kommen müssen, um auch den Mut zum Gehorsam zu haben?

→ Wie werden wir diese Situation konkret angehen, um uns wieder auf Gott zu verlassen und Ihm gehorsam zu sein?

→ An welcher Stelle in diesem Prozess müssen wir am meisten hören, dass Gott gnädig ist und Erbarmen mit unserer Schwäche hat? Wie kann uns das Kreuz an dieser Stelle helfen, Gottes Gerechtigkeit und Gnade gleichermaßen in unser Leben sprechen zu lassen?