Kakteenpflege

Kann man gute Beziehungen zu Teens pflegen? Oder sind Teenies eher wie Kakteen, denen man lieber nicht zu nahe kommen sollte?
Kakteenpflege

Wie baut man eine gute Beziehung zu Teenagern auf? Geht das überhaupt? Sind Teenies nicht eher wie Kakteen, denen man lieber nicht zu nahe kommt, um sich keinen Stachel einzufangen? Das hat sich vielleicht schon so mancher Erwachsener gefragt.

Nun, ich fühle mich nicht unbedingt kompetent in Sachen Pädagogik, Psychologie oder Soziologie. Ich berufe mich nur auf ein paar Jahre Erfahrung im Umgang mit jungen Leuten in der Schule, in der Gemeinde und in meiner eigenen Familie. Das ist alles. Aber ich sage: Ja, man kann gute Beziehungen zu Teenies führen und pflegen. Auch als Erwachsener.
Dabei habe ich keinen 10-Punkte-Plan, kein Konzept, nur ein Geheimnis: Es heißt Liebe.
Ich weiß, es klingt wie ein frommer Spruch, eine Banalität in christlichen Kreisen – in der Theorie zumindest. Wir sind schnell dabei, den obligatorischen Hinweis auf Liebe abzuhaken und zum nächsten Punkt überzugehen. Aber es gibt keinen weiteren Punkt von diesem Format und deshalb lohnt es sich, hier noch etwas zu verharren und ihn tiefer zu verinnerlichen.

Liebe gibt es nicht im 10er-Pack

Mir geht es nicht um die Liebe zum Jugendkreis, sondern zum einzelnen Jugendlichen. Nächstenliebe, wie sie im Lehrstück vom barmherzigen Samariter sichtbar wird, kann sich nur einem Einzelnen zuwenden. (Die Frage heißt ja nicht: „Wer sind meine Nächsten?“, sondern: „Wer ist mein Nächster?“)
Nicht die Teenagergruppe gilt es zu lieben, sondern Janina, Pascal und Lea. Jede(r) einzelne will als interessanter, liebenswerter, besonderer Mensch entdeckt werden.

Liebe ist zweckfrei

Ebenfalls enttäuschen muss ich jeden, der nach Methoden Ausschau hält, um Teens unter allen Umständen im Teenkreis zu halten. Als ich (nicht mehr als Teenager, sondern als junger Erwachsener) meine Ortsgemeinde verließ, nahm ein Glaubensbruder mir das sehr übel. Ich musste feststellen, dass sein Interesse an mir und die Beziehung, die er mit mir über Jahre gepflegt hatte, wohl mit großen Erwartungen verbunden waren. Mit meinem Weggang stellte sich nun heraus, dass er sozusagen umsonst in mich investiert hatte.
Was einerseits – geschäftlich betrachtet – verständlich erschien, warf andererseits – menschlich betrachtet – ein anderes Licht auf unsere bisherige Beziehung.

Eine Beziehung aus Liebe ist nicht auf Zwecke, sondern auf den Menschen ausgerichtet.

Eine Beziehung, die man erhält, damit sie/er den Bezug zur Gemeinde nicht verliert, damit sie/er einer gewissen Kontrolle unterliegt, damit sie/er nicht in anderen Kreisen verkehrt, ist fragwürdig. Manche solcher Absichten mögen vielleicht wirklich aus Liebe erwachsen, als Zwecke der Beziehung stehen sie jedoch der Liebe im Weg.

Liebe nimmt den jungen Menschen ernst

Jesus fand harte Worte für diejenigen, die Kinder bzw. „Kleine“ (gering Geachtete) nicht ernst nahmen. Jesus rückte Arme, Kranke, Zöllner und Sünder sowie Kinder in sein Interesse. Menschen, die sonst nicht ernst genommen wurden, für die man nicht viel übrig hatte. So wie man in unserer Gesellschaft für „die Jugendlichen“, die sich auf Spielplätzen treffen, Glasflaschen zerschlagen, laute Musik hören und rauchen, nicht viel übrig hat.
In christlichen Kreisen schüttelt man bereits den Kopf, wenn die Mädchen anfangen, Make-up aufzutragen und die Jungen mit auffälligen Trendfrisuren auftreten; spätestens wenn die Teens sich weigern, bei uncoolen Auftritten im Gottesdienst mitzumachen, regt sich Unmut. Es ist nicht meine Absicht, dieses oder jenes Verhalten zu rechtfertigen, schon gar nicht, wenn es einen selbst oder andere schädigt. Meine Absicht ist es, einen wohlwollenden, liebevollen Blick auf die Menschen hinter der Fassade zu richten. Sie sind als pubertierende Jungen und Mädchen in der schwierigen Phase, in der sie nicht nur mit gravierenden Veränderungen in ihrem eigenen Leben zurechtkommen müssen, sondern zusätzlich auch noch ihren Platz in der Familie, in der Klasse, in der Gesellschaft finden wollen.
Ich vermute, dass eine Entfremdung gegenüber Erwachsenen stattfindet, weil junge Leute anders sind und sich oftmals nicht nach den Vorstellungen der älteren Generation entwickeln. Außerdem registrieren Eltern manchmal viel zu spät, in welchem Stadium des Lebens ihre lieben Kleinen bereits sind.
Wenn Teenies erst lernen müssen, sich selbst ernst zu nehmen, ist es keine große Hilfe für sie, wenn die Erwachsenen in ihrer Umgebung sie nicht ernst nehmen. Vielleicht hätte man sie ja auch vor dem geplanten Auftritt im Gottesdienst nach ihrer Meinung fragen können. Oder wenigstens danach.

Liebe agiert nicht aus Angst

Vielleicht geht es vielen wie mir: Manche Ideen, Trends und Verhaltensweisen der Jugend machen mir Angst. Und meinen eigenen Kindern verbiete ich einiges sogar. Nur: Geschieht das allein aus Angst, dann distanziere ich mich zwangsläufig vom Gegenüber. Ich baue eine Angstmauer auf, die mich hindert, einen Blick in sein Inneres zu werfen. Ich sage nicht, dass es keine Gründe gäbe, Angst zu haben. Nur vertragen sich Angst und Liebe nicht. Gegen die Angst können wir
a) Gottvertrauen setzen, in unbegrenztem Maße.
b) Das Vertrauen den Menschen gegenüber wird leider sicher begrenzt bleiben, und damit kann die Angst nicht völlig ausgeblendet werden. (Ich gebe zu, dass ich gerade als Vater mit diesem Problem nicht fertig bin. Zumindest vertröste ich mich und meine Kinder dann damit, dass sie mit ihrem zunehmenden Alter mehr und mehr die Verantwortung für sich selbst übernehmen und wir als Eltern mehr und mehr loslassen.)
Manchmal lässt sich die Angst vermindern, wenn man sich ein wenig Mühe gibt, denn: Angst machen einem oft die Dinge, in denen man sich selbst nicht (mehr) auskennt.

Wer sich von allen modernen Formen der Kommunikation fernhält, findet es befremdlich, dass junge Leute ständig ihr Handy oder Smartphone zücken, um neue WhatsApp-Nachrichten zu senden oder zu empfangen. Wer aus seiner Kindheit nur die Entenhausener Comic-Helden kennt und sich nicht die Mühe macht, ein modernes Mangaheft von hinten bis vorne durchzulesen, wird dieses vielleicht als Gefahr empfinden. Gleiches gilt in Sachen Musik, Film, PC-Spiele usw.
Nur wer sich ein wenig in der Materie auskennt, kann differenzierte Beurteilungen wagen und wird nicht eine pauschal angstgeleitete und daher ablehnende Haltung gegen alles einnehmen.

Liebe ist natürlich und ungekünstelt

Ich glaube, eine Jugendleiterin muss sich nicht gezielt darum bemühen, ein Vorbild für die Jugendlichen zu sein. Schön, wenn sie es hier und da einmal unwissentlich geworden ist. Die Last der Verantwortung und die hohen Erwartungen an sich selbst oder von den Eltern der Heranwachsenden können enorm unter Druck setzen, was für eine gute Beziehung zu den Jugendlichen nicht gesund ist.
Ich glaube, ein Leiter kann sich von der Last befreien, auf alle gestellten und nicht gestellten Fragen der Teens eine Antwort haben zu müssen. Wer liebt, gibt ein Stück seines Selbstschutzes auf. Er muss nicht immer gut dastehen und darf sich geben, wie er ist, einschließlich seiner Baustellen, seiner offenen Fragen und seiner ehrlichen Meinungen.

Fazit

Meine Auflistung einzelner Aspekte der Liebe in der Beziehung zu Teenagern ist natürlich unvollständig und kann kritisiert werden. Vielleicht fehlen dabei Aspekte der Liebe, die für dich besonders wichtig sind. Ein vertieftes Nachdenken darüber wird bestimmt nicht schaden, ersetzt aber nicht die Liebe in der Tat.
Trotzdem habe ich auf Praxis-Tipps bewusst verzichtet. Ohne Liebe würden sie ohnehin nichts nützen, und ist Liebe vorhanden, wären sie unnötig, denn Liebe macht erfinderisch.