Jungs sind anders – und klasse!

Wieso sind Jungs so, wie sie sind? Haben sie besondere Bedürfnisse? Und wenn ja, wie können wir in der Jugendarbeit darauf eingehen? Welche Methoden „funktionieren“ bei ihnen am besten?
Jungs sind anders – und klasse!

Wieso sind Jungs so, wie sie sind? Haben sie besondere Bedürfnisse? Und wenn ja, wie können wir in der Jugendarbeit darauf eingehen? Welche Methoden „funktionieren“ bei ihnen am besten?

„O man, pubertierende Jungs sind so ätzend“, ruft eine Mitarbeiterin unserer Freizeit im Mitarbeiterzimmer. Die Jungs hatten erst keinen Bock auf gar nichts, haben dann in ihrer Kleingruppe nicht auf die Fragen geantwortet und zuletzt sind sie einfach aus dem Raum gelaufen, obwohl sie es mehrfach verboten hatte. Besonders weibliche Mitarbeiter haben immer mal wieder ihre Probleme mit den Jungs, die oft lauter und versauter sind und bei denen es schwer scheint sie für christliche Inputs zu interessieren. Mir hat es sehr geholfen mal zu checken, wieso Jungs denn so sind, wie sie sind.

Denn das Verhalten von Jungs ist teilweise ganz logisch und wissenschaftlich erklärbar. Alles fängt im Mutterleib an. Da strömt durch den männlichen Föten mehr Testosteron. Das führt zum Wachstum von Penis und Hoden. Das Hormon Testosteron prägt aber auch die Verschaltungen im Gehirn des Babys. Gehirnbiologe Dr. Hüther vergleicht das Gehirn mit einem Orchester. Mädchen und Jungs sind beide mit den gleichen (Gehirn)-Instrumenten ausgestattet. Allerdings sitzen bei Jungs die lauten Pauken und Trompeten in der ersten Reihe und dominieren das Orchester. Jungs haben, laut Hüther, von Anfang an mehr Power und einen größeren Freiheitsdrang.

Doch zugleich sind männliche Babys schwächer als ihre weiblichen Pendants. Mehr männliche Neugeborene sterben oder bekommen schlimme Krankheiten. Männer sind also (leider) gar nicht das stärkere Geschlecht. Deswegen sind Jungs tendenziell stärker auf der Suche nach Geborgenheit und Sicherheit als Mädchen.

Und genau diese wissenschaftlichen Beobachtungen beschreiben den Grundkonflikt vieler pubertierender Jungs:

Jungs wollen ihre Freiheit haben, Grenzen testen, ihr Ding alleine durch ziehen und zugleich haben sie tief in sich drin eine große Sehnsucht nach Geborgenheit, Annahme und liebenden Armen.

Jungs wollen ihre Freiheit haben, Grenzen testen, ihr Ding alleine durch ziehen und zugleich haben sie tief in sich drin eine große Sehnsucht nach Geborgenheit, Annahme und liebenden Armen.

Natürlich trifft diese Beobachtung auch auf Mädchen zu, aber die beiden unterschiedlichen Sehnsüchte sind bei Jungs stärker ausgeprägt. Und zugleich wissen viele Jungs nicht, wie sie ihre Suche nach Geborgenheit und ihre Schwäche zeigen können. Die Schule, die Clique, die Medien und teilweise auch die Eltern vermitteln, dass man jetzt stark und fleißig sein muss. Diese ganze Entwicklung in der Pubertät löst bei Jungs ein Gefühl sehr stark aus: Überforderung. Deswegen werden sie (äußerlich) so unglaublich cool. Deswegen flüchten sie in Alkohol, Pornographie oder PC-Spielwelten.

Das Wissen um das starke Bedürfnis von Jungs nach Freiheit und nach Geborgenheit kann uns beim Umgang mit ihnen helfen beides im Blick zu haben.

Freiheit:

→   Jungs brauchen Bewegungsräume. Ihre Kraft und auch ihr Frust muss raus. Erstaunlich, wie ausgeglichen viele Jungs auf sportlichen Freizeiten in der Natur sind.

→   Jungs brauchen leistungsfreie Räume, in denen nicht an ihnen rumgemotzt wird. Es ist erlaubt sinnlose Sachen zu machen. Gerade die christliche Jugendarbeit kann hier, anders als Sportverein oder Musikunterricht, Chancen bieten.

→   Jungs brauchen das Zutrauen, dass sie es drauf haben. Das bedeutet vielleicht auch mal mehr zu erlauben, als man selbst gut findet. Hast du schon mal das Gesicht eines Jungen gesehen, dem man sagt „Du hast es drauf. Du kannst das“?

Geborgenheit:

→   Jungs brauchen Zuverlässigkeit. Klare Ansagen, Rituale und klare Abläufe helfen vielen Jungs ihren Alltag zu meistern. Sie brauchen Menschen, denen sie voll und ganz vertrauen können. Die Vertrauensebene ist so wichtig. Wir müssen zuverlässige Ansprechpartner sein.

→   Jungs brauchen geborgene und geschützte Plätze. Das kann der feste Termin zum Quatschen beim Abendessen sein oder auch der eigene Raum im Schlagzeugkeller. Die Jugendgruppe ist für viele Jungs ein wichtiger Rückzugsort vom harten Schulalltag.

→   Jungs brauchen klare und liebevolle Grenzen. Das ist keine neue Erkenntnis und doch eine der wichtigsten. Gesetzte Grenzen sollten immer wieder angepasst werden. Allerdings sollten die besprochenen Grenzen auch konsequent durchgezogen werden. Jungs testen, noch mehr als Mädchen, ob die Grenzen auch halten. Auch wenn es anstrengend ist, haltet durch, aus Liebe zu den Jungs.

Jungs sind anders

Ein Vater liest ein amerikanisches Männerbuch über die wilde Seite des Mannes. Davon inspiriert plant er ein Zelt-Wochenende in den Wäldern Brandenburgs mit seinem elfjährigen Sohn. Er rüstet sich in einem Outdoor-Geschäft mit Angel, Messer und warmer Kleidung aus. Stundelang recherchiert er nach Routen, sucht eine einsame Möglichkeit zum Zelten und druckt Überlebenstipps aus. Sein Sohn freut sich auf das gemeinsame Wochenende, auch wenn er noch nicht weiß, welche Überraschung sein Vater geplant hat. Sie fahren an einen Waldrand, parken das Auto, der Vater gibt seinem Sohn stolz das GPS- Gerät in die Hand und sagt mit tiefer Stimme zu ihm: „Jetzt bist du unser Anführer.“ Wenige Stunden später liegt der Sohn heulend im Zelt und schluchzt immer wieder: „Ich will nach Hause.“ Der Vater sitzt verzweifelt davor. Sie haben den Weg gefunden, einen Fisch gefangen und sogar das Feuer anbekommen … eigentlich ist alles so gelaufen, wie der Vater es sich gedacht hatte.

Was ist passiert? Der Sohn hasst Wandern, friert schnell, mag keinen Fisch und hat eine Mückenstichallergie. Der Vater hat das Wochenende so geplant, wie er es sich als Junge gewünscht hätte, aber er hat dabei vergessen, dass sein Sohn anders ist.

Jungs sind ganz anders! Jeder Junge hat andere Bedürfnisse und andere Macken. Für einige ist im Wald herumzuräubern der Traum schlechthin, für andere der absolute Horror. Jungs müssen nicht auf Fußball stehen, sämtliche Autotypen kennen, die wilde Natur mögen oder Döner essen. Jeder Junge ist anders und braucht auch andere Formen der Liebe. Und Jungs sind immer anders als ihr Vater, ihr Jugendleiter, ihr Erzieher oder Lehrer. Oft versuchen wir das, was wir uns als Kind gewünscht hätten, in der Erziehung umzusetzen. Wir alle haben unsere Geschichte und es ist wichtig, dass wir uns unsere eigenen Vorstellungen von „Männlichkeit“ anschauen. Was ist, wenn ein Junge beim Boys‘-Day auf der Freizeit nicht beim wilden Geländespiel mitmachen will? Innerlich denke ich automatisch: „Mann, Junge, sei mal nicht so ein Weichei.“ Dabei ist er einfach erst einmal anders und ich muss herausfinden, warum er nicht mitmachen möchte.

Eine spannende Angelegenheit ist herauszufinden, welche Art von Liebe das Herz eines Jungen berührt und was ihn begeistert. Jeder Mensch hat etwas, das ihn innerlich berührt. Das kann Fußball sein, eine bestimmte Art von Musik, die Natur, ein Hobby, … Wir brauchen Zeit um ihre Besonderheit zu verstehen und auf sie einzugehen. Das ist immer noch das beste Geschenk, das wir jedem Jungen schenken können: Zeit in dem wir mit ihm etwas unternehmen, uns ihm ganz zuwenden und ein offenes Ohr haben.

Hier noch ein paar praktische Methoden für Jungs, die auch gut mit Mädels gehen:

→   Süß-sauer-Runde: Es stellt sich immer wieder die Frage, wie man Jungs dazu bringen kann, über ihre Gefühle zu reden. Es gibt nur eine Lösung: Essen. Nach einem Spiel frage ich zum Beispiel: Was hat sich daran sehr gut angefühlt und was fandest du blöd, was hat dich geärgert? Für die Antworten gibt es dann etwas „Süßes“ für die positive Erfahrung und etwas „Saures“ für das, was negative Gefühle ausgelöst hat. Wichtig ist, dass alle die Chance haben, etwas zu sagen.

→   Schlagspiele: Der Klassiker ist „Zeitungsschlagen“. Hier sitzt die Gruppe im Kreis. Ein Spieler kommt in die Mitte und bekommt eine zusammengerollte Zeitung. Nun sagt ein anderer Spieler einen Namen. Dem Mitspieler mit dem Namen muss nun aufs Knie gehauen werden, was er nur verhindern kann, wenn er schnell den Namen eines anderen aus dem Kreis sagt.

→   Boxen, Kissenschlacht oder Prügeln mit Schaumstoffschlägern. Es gibt Möglichkeiten für kontrolliertes Kämpfen. Dabei ist es wichtig, klare Regeln (z.B. nicht in die Weichteile oder die Stopp-Regel) einzuführen. Auch sollten immer nur zwei „kämpfen“ und der Rest der Gruppe im Kreis stehen.

→   Experimente: Bitte lasst uns Andachten und Bibelarbeiten mit Gegenständen oder Medien (Bildern, Clips, Lieder) verknüpfen. Jungs sind sehr visuell veranlagt. Verbindet zum Beispiel Experimente mit Inputs. Baut zum Thema Himmelfahrt eine Rakete, lasst zum Thema Wut Luftballons zerplatzen, macht zum Thema „Kraft des Heiligen Geistes“ das Cola-Mentos-Experiment. Gute Anregungen gibt es im Buch „Ausprobiert – Gott entdeckt“ von Thomas Kretzschmar oder auf der Internetseite von „Wissen macht Ah“.

Mehr Methoden findet man auch in meinem Buch VOLL MANN.

Ich finde Jungs klasse! In ihnen steckt so viel Kraft, Kreativität, Potenzial und Gefühl. Auch wenn man das in der Pubertät teilweise nicht merkt, so ist es unglaublich spannend hinter ihre coole Schale zu schauen. Es lohnt sich Liebe un