Gesprächskultur

aus: Ausgesprochen - Angesprochen. Vom Glauben reden. Herausgegeben von der SMD (Studentenmission in Deutschland), 2003, Seite 11-12.
Gesprächskultur

Gesprächskultur ist Ausdruck der Wertschätzung für den andern. Gerade weil ich eine echte Beziehung mit ihm eingehe, will ich mich auch ganz praktisch auf ihn einstellen. Es geht also nicht um „Tricks“, sondern um die Pflege des Gesprächs. Dabei allerdings haben sich ein paar Dinge als sinnvoll herausgestellt, die das Gespräch ein bisschen leichter machen und Sackgassen vermeiden helfen.

Gespräch und Beziehung

Es gibt kein echtes Gespräch ohne echtes Interesse am andern. Solches Interesse kann man nicht einfach „beschließen“, aber man kann sich durchaus darum bemühen und man kann Gott darum bitten: „Hilf mir, diesen Menschen mit deinen Augen zu sehen.“ Letztlich ist dann das Bemühen, dem andern etwas vom Glauben zu vermitteln, immer mehr Ausdruck dieses Interesses (und nicht eine „Pflichtübung“). Denn das Thema Glaube dauerhaft auszuklammern wäre dann eben nicht mehr „respektvoll“, sondern ein Zeichen von Gleichgültigkeit. Aber was ich als wahr erkannt habe und was für mich die beste alle Nachrichten ist, das möchte ich auch dem andern nicht vorenthalten.

Nicht alles auf einmal

Jeder Mensch kann nur eine begrenzte Menge neuer Informationen auf einmal aufnehmen. Wichtiger als ihm sofort „alle Fakten“ über den Glauben zu präsentieren ist also, dass das Gespräch ihm Mut macht zu weiterem Nachdenken und zu einem weiteren Gespräch. Besser als ein Thema „zu Ende diskutieren“ zu wollen kann daher sein, sich einfach neu zu verabreden: „Das war richtig interessant! Lass uns doch demnächst noch mal darüber reden, sagen wir am… Wäre das okay?“ Wenn daraus ein tieferer Kontakt entsteht, ist viel gewonnen.

Verständlich sein

Eine Jargon-freie Sprache, die der andere auch versteht, ist unerlässlich. Unser Glaube hängt ja nicht an bestimmten Begriffen, sondern am lebendigen Gott. Letztlich gibt es nur ein Wort, das hier absolut unverzichtbar ist und das ist der Name Jesus Christus. Andere Begriffe lassen sich oft übersetzen, so lange wir darauf achten, vom Inhalt nichts wegzunehmen. Meistens ist eine Übertragung in zeitgemäße Sprache sogar notwendig, um Missverständnisse zu vermeiden. Das Wort „Sünde“ z.B., wenn es nicht erklärt wird, weckt heute oft völlig andere Assoziationen, als biblisch angezeigt sind (Verkehrssünder, Diätsünden…). „Trennung von Gott“ dagegen ist genauso deutlich und meist verständlicher.

Ebenso empfiehlt es sich, nach Beispielen und Veranschaulichungen aus der Alltagswelt meines Gesprächspartners Ausschau zu halten. Unser Vorbild ist dabei Jesus selbst: Seine Gleichnisse vom Reich Gottes verwenden Bilder aus dem Alltag seiner Zuhörer, z.B. aus dem Ackerbau, um inhaltlich etwas völlig Neues zu vermitteln.

Zuhören – nachfragen

Zuhören, ehrlich nachfragen und sich für die Antwort tatsächlich interessieren, das alles ist wichtig, schon weil es an sich ein Zeichen von Wertschätzung ist. Die meisten Menschen fragt niemand ernsthaft. Schließlich will ich ja mit dem andern selbst ins Gespräch kommen, mit dem, was er wirklich denkt. Deswegen lasse ich ihm die Zeit, die er braucht, einen Gedanken zu entwickeln. Das Thema Glauben ist für ihn vielleicht ein unbekanntes Terrain, und er muss erst nach Worten suchen. Dabei kann ich ihm, behutsam, helfen, immer mit der Rückfrage: „Meinst du also, dass…? Habe ich dich da richtig verstanden?“ Damit zeige ich ihm: Du musst dich nicht zurückhalten, auch nicht mit deiner Skepsis und Kritik.

Argumentieren, ein kleines bisschen leichter gemacht

Der Austausch von Argumenten ist niemals entscheidend, aber oft wichtig. Wer verstandesmäßige Anfragen an den Glauben hat, verdient durchdachte Antworten. Dazu ein paar Tipps:

  • Bekräftigen vor kritisieren. Ich will auch sehr kritische Positionen erst einmal anhören und überprüfen, was ich daran nachvollziehen kann. „Natürlich ist im Namen des Christentums viel Übles passiert. Darunter leide ich auch.“ Erst dann suche ich nach einer Antwort. Das nimmt den Druck aus dem Gespräch, denn Druck erzeugt Gegendruck. Dem andern zunächst Recht zu geben, so weit mir das möglich ist, motiviert dagegen zu größerer Offenheit.
  • Keine Selbstverflüchtigung. Keine falsche Zurückhaltung, wenn ich über meinen Glauben spreche! Begeisterung ist angemessen und mehr als „erlaubt“. Wenn man die eigene Überzeugung gelassen, aber profiliert vertritt, wird das meistens respektiert. Seltsam wirkt es dagegen, wenn man sich gleich im Voraus entschuldigt: „Ja, ich bin Christ, aber… ich bin auch ganz normal.“
  • Eigenes Nachdenken ermöglichen. Es ist viel wert, wenn ich den andern mit einer Frage zu einer neuen Erkenntnis verhelfen kann. „Würdest du auch sagen, dass…?“ Denn was man selbst entdeckt, behält man viel eher. Das gilt allerdings nicht für die Kernaussagen des Glaubens, auf die kommt man kaum „von selbst“. Wo es aber ums Vorfeld geht, ist dieser Ansatz, das „sokratische Fragen“, sehr hilfreich.
  • Nebenschauplätze verlassen. Zu oft verkampft man sich in missionarischen Gesprächen bei Randfragen. Es geht aber nicht darum, das gesamte Lehrgebäude des Glaubens zu verteidigen, sondern zur Begegnung mit Jesus einzuladen. Alles Weitere kommt erst dann. So weit ich dazu beitragen kann, versuche ich also, auf dieses Zentrum hinzuweisen.
  • Nicht Diskussionen gewinnen, sondern Menschen. Auch wenn ein Gespräch damit endet, dass zwei Standpunkte scheinbar unbeweglich
    gegeneinander stehen, muss das nicht heißen, dass es dabei bleibt. Das Gesagte arbeitet auf jeden Fall in beiden weiter, das kann ich an mir
    selber wahrnehmen, und das wird auch beim andern so sein. Weitaus wichtiger als ein „Sieg nach Punkten“ ist also eine gute Gesprächsatmosphäre.