Gemeinde International?!

Dieser Artikel will Verständnis wecken für die Unterschiede zwischen Menschen aus verschiedene Kulturen und Mut machen, aus Liebe Neues zu wagen. Damit es bald auch in unseren Gemeinden mehr Menschen aus allen Nationen gibt.
Gemeinde International?!

Gott sei Dank, sie gibt es: Ausländer in unseren Gemeinden. Da ist Liliane aus Burundi, Murat aus der Türkei und manche andere. Allerdings ist das nicht die Regel. In den meisten Gemeinden sind wir Deutsche unter uns. Warum? Ist die Gemeinde Gottes, der Leib unseres Herrn Jesus, nicht überregional, weltweit, interkulturell?
Genau da liegt wohl das Problem. In unseren Köpfen wissen wir es genau: Der Bruder aus Indien, die Schwester aus Chile oder Rumänien – sie sind Glieder am Leib Christi wie wir. Sie sind ebenso Kinder des himmlischen Vaters und damit unsere Geschwister. Doch warum tun wir uns oft so schwer, sie auch als Brüder und Schwestern auf- und anzunehmen?

Ein wenig anders

Der Gottesdienst beginnt um 9:30 Uhr. Warum kommt Marisa immer erst um 9:45 Uhr? Und Thembani erscheint regelmäßig gegen 10 Uhr. Wenn er sich dann wenigstens leise in die letzte Reihe setzen würde. Aber nein, er geht mindestens bis ins vordere Drittel und begrüßt die Geschwister, an denen er vorbei geht, nicht gerade im Flüsterton.

Ortswechsel in eine Gemeinde in Kenia: Der Gottesdienst beginnt um 10 Uhr. Wie es sich gehört, ist der Besucher aus Deutschland um 9:53 Uhr vor Ort. Er schaut sich im offenen Raum um: Niemand da. Gegen 10:10 Uhr kommen zwei Männer und eine Frau. Fröhlich begrüßen sie den Deutschen, der ein wenig missmutig auf die Uhr schaut. Als sich die Zahl der Gottesdienstbesucher gegen 10:20 Uhr auf sieben erhöht hat, beginnen einige zu singen, laut und fröhlich, während andere sich noch intensiv unterhalten. Erst gegen 12 Uhr – mit zweistündiger Verspätung! – beginnt der Gottesdienst „richtig“. Kann Thembani diese kulturelle Gewohnheit in Deutschland auf Knopfdruck ablegen? Sicher nicht. Und muss Murat auf Knoblauch verzichten, weil wir diesen strengen Geruch nicht kennen, geschweige denn mögen? Und Gheche soll plötzlich in der Lage sein, still und stumm auf ihrem Platz zu sitzen, wo man doch in ihrer Heimat beim Singen aufsteht und Gott mit Mund, Herz und Füßen lobt? Es ist wirklich schwer!
Es ist schwer für uns mit unseren etwas steifen Gewohnheiten. Und es ist schwer für andere, die beweglicher und lauter unseren Herrn preisen. An dieser Stelle ist es wichtig, zwischen „biblisch“ und „kulturell“ (beziehungsweise Gewohnheit) zu unterscheiden. Für uns ist die Frage:

Wollen wir uns darauf einlassen? Sind wir bereit, Gewohnheiten infrage zu stellen, geschweige denn zu ändern? Und selbst wenn wir bereit sind, können wir es? Sind wir dazu in der Lage?

Geraten da unsere Gedanken nicht wieder in eingefahrene Gleise? Ja, es sind etliche, die freiwillig in Deutschland sind. Touristen, die sich nur kurze Zeit umschauen möchten. Studenten, die ein paar Jahre lernen. Geschäftsleute, die Geld verdienen möchten. Aber Stopp! Sind sie wirklich freiwillig hier? Ich denke an Janjhu, den die chinesische Regierung als Doktorand nach Deutschland schickte. Vier Jahre fern der Heimat, fern der Ehefrau, fern den Kindern. Einmal im Jahr konnte er sie besuchen. Und selbst wer freiwillig hier ist: Hat er nicht auch Heimweh? Stell dir vor, Janjhu ist Kind Gottes und kommt in deine Gemeinde. Wir erwarten von ihm erstens: pünktlich zu sein, sonst werden wir gestört. Zweitens: leise sein, nach dem Gottesdienst ist Zeit zum Unterhalten (wenn denn jemand auf Janjhu zugeht!).

Begegnungen in Liebe

Natürlich ist klar: Wir müssen nicht unsere Gewohnheiten und kulturellen Eigenschaften aufgeben, damit Ausländer ihre Bräuche und Sitten unverändert leben können. Aber nötig ist eine Offenheit für andere Eigenarten und Lebensgewohnheiten. Wir können dem anderen mit Liebe begegnen, den Menschen sehen und nicht sein scheinbar unangebrachtes, respektloses und ungehöriges Verhalten. Vielleicht ist es in seiner Kultur angebracht, respektvoll und richtig. Wenn wir ihm mit respektvoller Liebe begegnen, kann er sich mit der Zeit darauf einstellen. Denken wir an den „Druckknopf“, der uns und ihm fehlt.

Lassen wir einander die nötige Zeit.

Unser Herr hat die „himmlische Kultur“ verlassen. Dort herrscht vollkommene Liebe, völlige Heiligkeit und absolute Harmonie. Dennoch hat er sich auf uns egoistische, sündige Menschen eingelassen. Er ging auf Zöllner, Prostituierte und Pharisäer zu, ließ sich auf sie ein, begegnete ihnen nicht von oben herab. Er ließ sich auf unsere „Kultur“ ein, um uns zu gewinnen. Wir merken immer wieder, dass es uns schwer fällt, anderen mit Annahme, Respekt und Liebe zu begegenen. Doch seine Kraft kann in uns wirken. Und sie kann es auch schenken, dass in uns
Veränderung beginnt. Unser Wunsch reicht ihm aus. Er wird helfen. Lassen wir uns die Offenheit unseres Herrn Jesus schenken, einander mit seiner Gesinnung zu begegnen. Lassen wir uns die Weisheit schenken, kulturelles und unbiblisches zu unterscheiden. Und über allem: Lassen wir uns die Liebe schenken, den Bruder und die Schwester zu sehen, ob mit kenianischem, deutschem oder thailändischem Hintergrund. Dann
können wir schon hier ein Stück Himmel auf Erden haben. Denn in der Gegenwart unseres Herrn werden wir in absoluter Harmonie mit Menschen „aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation“ zusammen sein.

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