Die Abschaffung der Hölle

Ist die Hölle abgeschafft, oder gehört sie zur Evangelisation dazu?
Die Abschaffung der Hölle

„Habt ihr euch je am Feuer die Hand verbrannt? Auch nur ein Finger, den euch die heiße Flamme versengt, quält euch die ganze Nacht, ist es nicht so?
Wie muss es da sein, wenn euer ganzer Körper in Flammen steht? Nicht nur für eine schlaflose Nacht, nicht für eine Woche, vielmehr für die Ewigkeit.
Können wir ihm entrinnen, dem Feuer der Verdammnis am Tage des Strafgerichts?“ Während er diese Worte sprach, hielt er seine Hand in die Flamme einer Fackel und zeigte den erschreckten Zuhörern nachher die verkohlte Hand und präsentierte dann das Rettungsangebot. Wer kann dazu schon Nein sagen? Natürlich klammerten sich viele der Zuhörer an den angebotenen Rettungsring. Zumindest in dem Film „Luther“, aus dem diese Szene stammt, in der Johann Tetzel mit Hilfe der vorgestellten Höllenqualen seine Ablassbriefe verkauft.

Wen wundert es, wenn sich heute viele Christen von einer solchen Art der Verkündigung distanzieren? Das Wort Evangelium bedeutet doch schließlich „Frohe Botschaft“ und nicht „Drohbotschaft“. Als Schlussfolgerung daraus steht z. B. in einem sonst empfehlenswerten Lehrbuch zu evangelistischen Predigten, dass wir das Thema „Hölle“ überwunden haben und es keine Beachtung mehr verdient. Die Folge davon ist, dass der Glaube und die Beziehung zu Gott nur noch ein Thema für die Erde ist. Die zukünftigen Dinge haben keine Relevanz mehr. Doch das ist genauso wenig im Sinne Gottes wie ein total jenseitsorientierter Glaube, der in dieser Welt nicht sichtbar wird.

 Stattdessen gilt es festzuhalten, dass derjenige, der die zukünftigen Dinge aus dem Blick verliert und keine Antworten mehr zu dem Leben nach dem Tod geben kann, dem Glauben die Hoffnung raubt.

Wie laden wir angesichts solch gegensätzlicher Positionen zum Glauben ein? Mit der Androhung des ewigen Feuers oder unter Verzicht auf jegliche Konsequenz, die eine Ablehnung der Botschaft mit sich bringt? Eine Möglichkeit, die Frage zu beantworten, ist zu schauen, wie in der Apostelgeschichte von der Mission der Apostel berichtet wird.

Blick in die Apostelgeschichte

Die Apostel sprechen weder von der Hölle, noch wird das Gericht an irgendeiner Stelle ausgemalt oder beschrieben. Auch eine detaillierte Beschreibung (wie zum Beispiel „Heulen und Zähneklappern“, vgl. Lk. 13,28), welche Konsequenz eine Ablehnung des Evangeliums nach sich zieht, suchen wir in den Reden der Apostel vergebens. Es wird jedoch ausdrücklich von einem Gericht gesprochen.
Das Fehlen der Hölle in den Predigten bedeutet daher nicht automatisch, dass das Evangelium nicht auch Auswirkungen über dieses Leben hinaus hat. Es bedeutet nicht, dass eine Ablehnung des Evangeliums und des Reiches Gottes für die Menschen ohne Konsequenzen wäre. Deutlich wird dies an drei
Stellen:

  1. In Apostelgeschichte 10,42 berichtet Petrus Kornelius von einem Auftrag Jesu, der in den Evangelien nicht direkt überliefert wurde: „Er gab uns den Auftrag, dem ganzen Volk mit allem Nachdruck zu verkünden und zu bezeugen, dass er der von Gott eingesetzte Richter ist, der über die Lebenden und über die Toten das Urteil sprechen wird.“ Von Jesus als dem Richter zu reden, der das Urteil über Lebende und Tote sprechen wird, war für Petrus somit nicht nur eine Option, sondern beruhte auf einer direkten Anweisung Jesu.
  2. Dazu passt die Rede des Paulus in Apostelgeschichte 17. Nachdem er zunächst lange darüber gesprochen hat, wie nahe Gott den Menschen ist, kommt Paulus am Ende seiner Rede auch auf das Gericht zu sprechen. Wie Petrus verkündigt er, dass Christus von Gott als Richter eingesetzt wurde. Interessanterweise hat das damals keinen gejuckt. Erst als Paulus über die Auferstehung sprach, regte sich Widerstand unter seinen Zuhörern.
  3. Diese Gerichtsbotschaft verkündigt Paulus auch in extremen Situationen. In Apostelgeschichte 24,25 bezeugt er gegenüber Felix, dessen Gefangener er war, das kommende Gericht. Doch an keiner Stelle hat man den Eindruck, dass es vorrangig um eine Warnung vor dem Gericht geht. Nirgends wird beschrieben, welche Folgen das Gericht nach sich zieht, keine Qualen werden dem Leser vor Augen gemalt. Dennoch bleibt in der Botschaft der Apostel eine Ablehnung des Evangeliums nicht ohne Konsequenz. Doch insbesondere bei der Rede des Paulus auf dem Areopag hat man den Eindruck, dass es sich bei dem Gericht eher um ein Randthema handelt als um die Mitte der evangelistischen Predigt und trotzdem ist es ein Thema, das nach Apostelgeschichte 10 niemals unterschlagen werden darf.

An verschiedenen anderen Stellen schwingt der Gedanke eines möglichen Gerichts mit: unter anderem dort, wo es um eine Rettung geht, schließlich benötigt man auch keine Rettung, solange man kein Problem hat (vgl. Apg. 2,40 und 4,12). Auch in der Begebenheit in Apostelgeschichte 16 wird dies deutlich. Der Kerkermeister wacht mitten in der Nacht auf und bemerkt, dass alle Türen des Gefängnisses offen stehen. Er ist überzeugt, dass die Gefangenen geflohen sind, und will Selbstmord begehen. Doch Paulus ruft ihm zu, dass alle Gefangen noch da sind. Dies führt dazu, dass der Kerkermeister sich zitternd vor Paulus und Silas nieder wirft. Danach führt er Paulus und Silas aus dem Gefängnis heraus. Erst jetzt berichtet uns die Bibel von der Frage des Mannes: „Was muss ich tun, um gerettet zu werden?“ Warum stellt er die Frage? Wovor brauchte er jetzt noch Rettung? Es war doch alles gut gegangen. Bis auf Paulus und Silas, die er gerade selber freiließ, saßen alle Gefangen in ihren Zellen. Eigentlich gab es keinen Grund für ihn nach Rettung zu fragen. Doch der Kerkermeister, der im Dienst des Kaisers stand, hatte gemerkt, dass er sich gegen die Diener eines viel größeren Herrschers gestellt hatte, gegen die Diener eines mächtigen Gottes. Für den Kerkermeister war klar, dass es niemals ohne Konsequenz bleiben kann, wenn man sich gegen einen Mächtigeren stellt. Er wusste, dass er ein Urteil über sein Verhalten gegenüber diesem Gott empfangen würde – darum fragt er nach Rettung.

Fazit

Der Blick in die Apostelgeschichte zeigt: Die Rede vom Gericht wird an keiner Stelle als Drohmittel benutzt oder um Angst zu schüren, dennoch gehört sie zum Evangelium dazu. Wie am Beispiel des Kerkermeisters deutlich wird, war es für die Menschen damals vollkommen logisch, dass es Konsequenzen nach sich zieht, wenn man sich gegen Gott stellt. Dieses Gericht verschwiegen die Apostel in ihrer Verkündigung nicht. Nirgends begegnet uns ein Bemühen, das Evangelium ein wenig „harmonischer“ darzustellen.

Stattdessen begegnet uns Christus als Richter.

Für meine evangelistische Verkündigung habe ich
deshalb zwei Wünsche:

  • Ich möchte, dass niemand Christus ablehnt, weil er von dem Gerede über Hölle und Gericht so abgeschreckt ist, dass er mit Gott/Jesus nichts zu tun haben möchte.
  • Ich möchte, dass niemand Christus ablehnt, weil er nicht begriffen hat, wie furchtbar ernst die Konsequenz dieser Ablehnung für ihn wird.