Corona und die Regierung – wie gehe ich mit den aktuellen Regelungen um?

Letzten Samstag wäre ich in einer Region im Westen zu einem Männertag gewesen. Kurz vorher verkündete unsere Regierung den „Lockdown light“ für November. …
Corona und die Regierung – wie gehe ich mit den aktuellen Regelungen um?

Letzten Samstag wäre ich in einer Region im Westen zu einem Männertag gewesen. Kurz vorher verkündete unsere Regierung den „Lockdown light“ für November. Ich erwartete die Absage. Der Bruder rief an und meinte, sie seien im Kontakt mit dem örtlichen Gesundheitsamt, es sei noch nicht entschieden. Beim nächsten Anruf waren sie auf der Suche nach einem ausreichend großen Raum, dann wäre es möglich. Leider ließ der sich nicht finden und es fiel doch aus. – Was ich gut fand: hier waren Brüder, die haben nicht vorzeitig aufgegeben. Die haben – nicht heimlich, sondern ganz offiziell – alle Möglichkeiten ausgelotet.

Bei diesem aktuell viel behandelten Thema möchte ich mit dem kritischen Leser über die drei Kernbegriffe in dieser Frage nachdenken.

Regierung

Wir verwenden diesen Begriff oft so, als ob es sich dabei um eine abstrakte Einheit, eine Verwaltungsgröße handelte. Bei näherem Hinsehen stellen wir aber fest, dass es sich dabei durchweg um Frauen und Männer handelt, die von ganz ähnlichen Interessen, Ängsten und Hoffnungen geleitet werden wie jeder andere in der Gesellschaft auch. Jeder von uns will genug Einfluss (= Macht) haben, um sein Leben und Umfeld mitgestalten zu können. Jeder trifft gelegentlich Entscheidungen aus Angst vor etwas, das er nicht beeinflussen kann. Jeder hegt manchmal Hoffnungen und muss dazu einander widersprechende Informationen selektiv behandeln.

Unsere staatlichen Verantwortungsträger ebenso. Der Unterschied zu ihnen ist u.a. das Ausmaß der Konsequenzen, die ihre Entscheidungen für andere haben – und die Zahl der Leute, die dabei zuschauen, kommentieren, was sie zu sehen meinen, und dazu noch über ihre berufliche Zukunft mitentscheiden.

Hier in Deutschland sind wir in der komfortablen Lage, dass wir dort die Leute sitzen haben, die wir selber vor längstens fünf Jahren dorthin gewählt haben. Klar, nicht jeder von uns wollte da jeden Volksvertreter sitzen sehen – aber als große Gruppe der deutschen Staatsbürger haben wir das so gemeinsam entschieden. Als Leute, die der Bibel vertrauen, wissen wir zudem, dass Gott es auf irgendeine Weise durch unsere Wahl geschafft hat, die Regierung über unser Land zu setzen, die er wollte (Römer 13,1). Das bedeutet nicht, dass er notwendigerweise alles gut findet, was sie tut. Aber es bedeutet sehr wohl, dass sie mit seiner Autorität im Amt ist.

Also die Regierenden sind erstens Leute wie du und ich, zweitens von uns selber gewählt und drittens von Gott mit voller Absicht dahin gesetzt.

Regelungen

Die von den Verantwortungsträgern in Staats- und Landesregierungen, Behörden, Firmen, Schulen und Kitas ausgegebenen Maßnahmen kommen bei uns an der Basis bestenfalls nervig, oft störend und im schlimmsten Fall mit zerstörerischen Auswirkungen an. Über ihre Sinnhaftigkeit darf man in unserem Staat unterschiedlicher Meinung sein und zum Glück auch offen reden, selbst wenn einem nicht immer alle dabei zuhören. Manche Entscheidung der letzten Monate wurde ja auch durch Protest von der Basis über die Gerichte wieder gekippt.

Bevor wir uns allerdings aufregen, sollten wir folgendes berücksichtigen:

  • In der Tropenmedizin-Ausbildung lernten wir im Fach „Öffentliche Gesundheit“, dass eine Maßnahme für die Gesundheit einer großen Bevölkerungsgruppe durchaus sinnvoll und hilfreich sein kann, wenn viele mitmachen – selbst wenn sie nicht jedem Individuum hilft oder sogar einmal schaden kann. Mir muss nicht alles persönlich helfen, um sinnvoll zu sein.
  • Was macht man bei einer Wahl zwischen Pest und Cholera? Das Leben vielleicht zehntausender Menschen aufs Spiel setzen, oder die Wirtschaft? Die allgemeine Priorität unter uns Deutschen liegt da zunächst mal eindeutig auf „Hauptsache gesund!“, so wurde dann zunächst mal auch entschieden.
  • Das Hin und Her zwischen massiven Allgemein- und zersplitterten Einzelmaßnahmen zeigt die ungeheure Komplexität der zu berücksichtigenden Faktoren an. Die Vorläufigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis, die dabei leiten soll, die Unterschiedlichkeit regionaler Umstände, die Notwendigkeit, sich per „trial and error“ voranzutasten – Freunden würden wir in solch einer Situation unser herzliches Mitgefühl aussprechen.

Ich

Tja, wer bin ich als Nachfolger des Herrn Jesus in solch einer Situation? Was mache ich, wenn mir solche wie die aktuellen Regelungen vorgesetzt werden?

Zunächst überlege ich, ob irgendwas davon irgendeiner Aufforderung der Heiligen Schrift eindeutig widerspricht – und stelle fest: bisher nicht. Das könnte sich ändern, deswegen verfolge ich aufmerksam, was so alles diskutiert und entschieden wird, aber bis jetzt muss ich nirgendwo den „Gott mehr gehorchen als den Menschen“-Passus anwenden (Apostelgeschichte 5,29).

Dann überlege ich, an welchen Stellen die aktuellen Maßnahmen mir oder anderen um mich herum das erschweren, was wir bis dahin als unsere Aufgabe gesehen haben. Also habe ich mit anderen zusammen im Hauskreis, in der Gemeinde und im Elternbeirat Zoom-Sitzungen eingeführt und so das Miteinander am Laufen gehalten. Wir haben die Kleingruppenleiter unserer Gemeinde zusammengerufen, um sie zu ermutigen für ihren jetzt noch wichtigeren Dienst. Mit einigen gemeinsam haben wir das notwendige Hygiene-Konzept geschrieben, um unser Gemeindehaus auch unter den aktuellen Umständen bestmöglich für gemeinsame Treffen nutzen zu können. Mit wechselnden neuen Bedingungen haben wir uns immer wieder angepasst und veranstalten jetzt Hybrid-Gottesdienste – live und Livestream gleichzeitig. Die Regelungen haben uns auch überörtlich auf die Spur gebracht Webinare anzubieten – damit kann man Menschen dienen, die man sonst nicht erreicht hätte.

Die nächste Überlegung ist, was auch mit den jeweiligen Maßnahmen gut und vielleicht sogar noch besser geht. Leute besuchen geht meistens, also machen wir das. Ich durfte mit meiner Frau auch durch die Coronazeit hindurch einen schwerkranken Bekannten und seine Frau begleiten. Am Tag vor seinem Tod kam er zum Frieden mit Gott! Die Beerdigung war ein großes Zeichen der Gnade Gottes –  und im offenen Friedwald konnten neben der Familie noch viele andere Freunde dabei sein. Oft ist es ein Abwägen: wir wollen die Gesetze nicht nur dem Buchstaben nach erfüllen und ansonsten Lücken suchen. Auf der anderen Seite wollen wir uns und anderen das Leben nicht schwerer machen, als es aktuell vorgeschrieben ist. Man muss sich als Leiter einigen und stellt dann oft fest: vieles geht trotzdem, und das machen wir dann.

Natürlich sind sie nervig, die Regeln. Aber für uns als Christen ist nicht bezahlt worden, damit wir als Nörgler und Kritiker auffallen. Wir sollen „durch Gutestun die Unwissenheit der Unverständigen zum Schweigen bringen“ (1.Petrus 2,15), dafür sollten wir bekannt sein. Nirgendwo werden wir in der Schrift konkret aufgefordert, auf unsere Regierung aufzupassen oder ihre Entscheidungen in Frage zu stellen. Solange sie nicht die oben erwähnte rote Linie überschreiten, bedeutet das für mich, solidarisch die von unseren Vertretern beschlossenen Regelungen mitzutragen und gleichzeitig Gott um Seine Gnade bei all dem Vorläufigen und Fragwürdigen und Lückenhaften zu bitten.

Wenn diese Pandemie mal vorbei ist – an was sollen sich unsere Nachbarn, Kollegen, Geschwister erinnern, wenn sie uns sehen? Ich wünsche mir, ihnen fallen dann Begriffe wie „besonnen, respektvoll, gehorsam“, aber auch „initiativ, selbstlos, mutig“ ein. Dann hätten sie in dieser Zeit Jesus in uns gesehen.