Auf der Suche nach dem Sinn

Anspiel für 5 Personen Requisiten : Lexikon Kostüme : keine besonderen, nur normale Kleidung Bühnenbild: kein besonderes. Wenn die Darsteller sitzen, dann …
Auf der Suche nach dem Sinn

Anspiel für 5 Personen

Requisiten: Lexikon

Kostüme: keine besonderen, nur normale Kleidung Bühnenbild: kein besonderes. Wenn die Darsteller sitzen, dann auf dem Boden.

P.1: (geht auf der Bühne verzweifelt suchend umher, schaut hinter, auf, unter jedem Gegenstand nach, verändert die Position derselben und sucht mit einer enormen Ausdauer. Nach einer Zeit kommt P.2 , beobachtet ihn eine Weile und fragt dann:)

P.2: Suchst du etwas Bestimmtes?

P.1: Ich suche nach dem Sinn des Lebens.

P.2: Den wirst Du auf diese Weise nicht finden. (geht weiter)

P.1: (setzt sich niedergeschlagen hin, stützt den Kopf in die Hände und denkt nach) Wenn ich den Sinn des Lebens an der falschen Stelle suche, sollte ich es woanders probieren. Vielleicht steht irgendetwas im Lexikon. Im Lexikon findet man alles, was man wissen will. (schlägt Lexikon auf und blättert) Q, R, S. So, ‘S’ hätten wir schon einmal. Seebau? Nein, weiter hinten. Skarabäen? Nein, das war zu weit. Singapur – Sinkiang – Sinn, da haben wir’s ja. Also, hier steht: Geisteswissenschaftliche Bezeichnung für die einheitliche Bedeutung eines Wortes oder Satzes; als Urteils-Satz die logische Grundlage und bestimmender Faktor der Vereinigung von Subjekt und Prädikat. Der Lebenssinn – aha, der Lebenssinn – also „der Lebenssinn wird allgemein als das geistige Motiv, in der Zusammenfassung aller einzelnen Lebensschritte zu einem zielgerichteten vollkommenen Lebensganzen verstanden.“ – (klappt das Lexikon zu) Also, das ist mir viel zu abstrakt, das verstehe ich nicht. (Inzwischen ist P.3 hinzugetreten, die P.1 eine Weile beobachtet.)

P.3: Sag’ mal, was suchst du da eigentlich?

P.1: Ich versuche den Sinn des Lebens zu finden, ich hab’ schon überall danach gesucht.

P.3: Den findet man aber nicht im Lexikon, den muß jeder bei sich selbst finden.

P.1: Wenn Du schon so genau Bescheid weißt, könntest Du mir dann auch sagen, ob Du den Sinn des Lebens schon gefunden hast?

P.3: Na klar! Für mich besteht der Sinn des Lebens darin, sich hochzuarbeiten, Erfolg zu haben, angesehen zu sein, Prestige zu genießen. Alles nach dem Motto: „Wenn Du etwas geworden bist, dann biste was.“ Darin besteht der Sinn des Lebens. Aus eigener Kraft es zu schaffen, irgendwann einmal zu den ‘oberen Zehntausend’ zu gehören. Aber jetzt muß ich weiter, ich habe noch einen wichtigen Termin. (geht weg)

P.1: Eigentlich alles ziemlich unlogisch. Man gibt einem Leben doch dadurch keinen Sinn, indem ich meiner Arbeit einen Sinn gebe. Natürlich ist es schön, für seine Arbeit einen Sinn zu haben. Aber sich so abzuarbeiten, nur damit man zu den ‘oberen Zehntausend’ gehört? Na, ich weiß nicht. Außerdem wird oft genug gesagt, daß die da oben auch nicht immer glücklich sind. Lieber habe ich keinen Sinn mehr für mein Leben, als daß ich mich für diesen Sinn kaputt arbeite. (P.4 ist herzugetreten und hat die letzten Worte mitbekommen.)

P.4: Wer arbeitet sich wofür kaputt?

P.1: Hier war gerade jemand, der arbeitet wie eine Maschine, um das Ziel und den Sinn des Lebens zu erreichen. Hast Du den Sinn Deines Lebens gefunden.

P.4: Arbeiten würde mir im Leben nicht einfallen. Mein Vater ist Unternehmer und ich unternehme, äh, ich übernehme später die Firma. Ich hab’ genug Geld, um nicht arbeiten zu müssen. Ob ich einen Sinn für mein Leben gefunden habe? Natürlich: Mein Jaguar, mit dem ich von Fete zum nächsten Empfang fahre und dabei regelmäßig eine Braut abschleppe. Der Sinn meines Lebens besteht darin, das Leben zu genießen. Ich trink’ das Glas leer bis zum letzten Zug. Mit der Zeit wird das zwar ein bißchen langweilig, aber neulich hab’ ich mal was anderes probiert. LSD – Mann, die Träume solltest du haben, das ist echt voll gut. Junge, der Sinn des Lebens besteht darin, alles herauszu-holen, alles ausprobieren, konsumieren, verbrauchen, haben. Mensch, mach’ kein dummes, trübseliges Gesicht. Das Leben kann ein endloser Trip sein. Ich muß weiter, meine Freundin wartet auf mich. Tschüs. (geht weg)

P.1: Für diesen Lebenssinn fehlt mir das nötige Kleingeld, und ob LSD so toll ist, stellt sich beim nächsten Horror-Trip heraus. Nee, das ist nichts für mich. Wo finde ich denn nur den Sinn des Lebens? (setzt sich auf den Boden, stützt das Gesicht in die Hände und verhält sich ruhig).

P.5: (kommt ‘Hare Krishna’ singend, etwas ausgeflippt angezogen, vorbeigetanzt) Hare Krishna, Hare Rama, Rama Hare, Hare Krishna (so oft wie möglich, Melodie ist egal, aber fernöstlich sollte sie klingen. P.5 sieht P.1 am Boden sitzen, hört auf zu singen, stutzt, bleibt stehen und setzt sich daneben.)

P.5: Na Bruder, wo drückt Dich der Schuh?

P.1: (hebt den Kopf und schaut seinen Nachbarn etwas befremdet an) Ich suche den Sinn des Lebens. Ich konnte ihn für mich noch nicht finden. Vorhin waren zwei Typen hier. Der eine glaubt den Sinn in der Arbeit, der andere glaubt, den Sinn im Konsum gefunden zu haben und ich glaube an gar nichts mehr.

P.5: (verständnisvoll seine Hand auf die Schulter des anderen legend) So ging es mir auch eine Weile und ich kann Dich gut verstehen. Aber dann fand ich Ihn.

P.1: Wen, den Sinn?

P.5: Nein, den Meister.

P.1: Welchen Meister?

P.5: Na, unseren Meister von unserer Gruppe!

P.1: (interessiert) Was ist denn das für eine Gruppe?

P.5: (dozierend, wie auswendig gelernt)Wir sind eine Gruppe junger, glücklicher Leute, die den Sinn ihres Lebens gefunden haben.

P.1: Und was ist euer Sinn des Lebens?

P.5: Der Meister!!

P.1: (äffend) Der Meister, der Meister. Versteh’ ich nicht. Was ist das denn für’n Meister?

P.5: Na, unser Meditationsmeister.

P.1: Was meistert er denn, euer Meditationsmeister?

P.5: Na, er meistert die Meditation, Bruder!

P.1: Und was gibt’s da zu meistern?

P.5: Also, in unserer Gruppe ist das so: Wir wohnen alle in einer Wohngemeinschaft und haben uns alle lieb. Jeden Morgen stehen wir um fünf Uhr auf, um zu meditieren.

P.1: Waas, so früh, mitten in der Nacht?

P.5: Ja, aber wir tun das gern. Wir tun das gern, weil der Meister uns befohlen hat, daß wir das gern tun sollen. Und wenn wir dann zwei Stunden meditiert haben, gibt es Frühstück: Himalayisches Müsli. Nach dem Frühstück gehen wir in die Stadt, um für unseren Meister zu betteln. Dabei singen wir dann oft das ‘Hare Krishna’. (fängt wieder an zu singen, wie vorher)

P.1: (unterbricht ihn) Ist ja schon gut. Erzähle lieber, was ihr sonst noch macht.

P.5: Ja, abends gegen acht kommen wir dann aus der Stadt, essen zu Abend und beten. Anschließend geht es so gegen 12 Uhr ins Bett.

P.1: Und was habt ihr von so einem Leben?

P.5: (überzeugt) Gemeinschaft, Geborgenheit, Liebe, Glück und das alles zusammen in der Wohngemeinschaft.

P.1: Und dafür müht ihr euch so ab?

P.5: Der Meister meint, es wäre keine Mühe, wenn wir für ihn sammeln, sondern eine Ehre für uns. Ja ja, unser Meister. Bei ihm macht das Leben Spaß, bei ihm haben wir Freude und finden in der Gemeinschaft mit ihm Glück und Zufriedenheit.

P.1: (skeptisch) Das glaubst Du doch selber nicht!

P.5: Der Meister hat gesagt, ich soll’s glauben. Weißt Du was, Bruder? Wenn Dir der Sinn für’s Leben fehlt, dann komm’ in unsere Wohngemeinschaft.

P.1: Nein, danke. Ich habe keine Lust mich ausbeuten zu lassen und irgendeinem sonderbaren Meister nachzulaufen, der euch was vom Pferd erzählt. Das kann nicht der Sinn des Lebens sein, sich in irgendeine Ideologie zu stürzen und damit irgendeinem habsüchtigen „Meister“ ein Mittel zum Zweck zu sein.

P.5: Wenn Du schon nicht mit in die Wohngemeinschaft kommst, könntest Du doch mal 10 € spenden.

P.1: Vergiß es.

P.5: (aufstehend) Wenn Du so am Irdischen, Materiellen klebst, wirst Du nie ins selige Nirwana, in das erhabene Nichts kommen, sondern bis zum Ende an allem Irdischen verhaftet sein. Du wirst fortan unglücklich leben und keinen frohen Tag mehr sehen. (geht weg)

P.1: Ja ja, schon gut. Der hängt aber ganz schön tief drin im Wahnsinn, folgt irgendeiner Lüge, ist von einem veräppelt worden, der intelligenter ist als er. Aber in irgendeiner Sekte leben gibt auch keinen Sinn, eher gebe ich mir die Kugel. (resignierend) Ich habe den Sinn also nicht gefunden. Vielleicht werde ich ihn nie finden. Dieser elende Durst nach dem Sinn in meinem Leben. Dieser Durst bringt mich noch um. Wenn es doch etwas zu trinken gäbe, was den Durst für immer löscht. Dann hätte ich endlich Ruhe. Aber so werde ich auf der Suche bleiben. Der Sinn meines Lebens besteht wohl darin, daß ich nach dem Sinn in meinem Leben suche. – Verrückt! (geht weg)