Schamgefühl – Erziehung oder Anlage?

Neben dem Mensch gibt es kein anderes Lebewesen, das so etwas wie Schamgefühl kennt. Selbst die Primaten, denen man gerne so etwas wie Personenbewusstsein bescheinigen möchte, kennen keine Scham. Warum ist das so?
Schamgefühl – Erziehung oder Anlage?

1. Worum geht’s?


Wie in vielen anderen Fragen, die den Menschen betreffen, ist es vernünftiger, beim Schöpfer des Menschen nachzufragen. Dieser Erklärung des Schamgefühls darf man mit Misstrauen begegnen. Wie in vielen anderen Fragen, die den Menschen betreffen, ist es vernünftiger, beim Schöpfer des Menschen nachzufragen, ob er eine Erklärung für das Schamgefühl hat.

Es geht in diesem Stundenentwurf um drei Teile:

  • 1. Der biblische Befund zum Thema
  • 2. Praktische Konsequenzen, die sich daraus ergeben
  • 3. Was passiert mit dem Schamgefühl, wenn sich Menschen lieben lernen?

2. Worauf wollen wir hinaus?


Konkret geht es im ersten Teil darum, den Sinn des Schamgefühls zu verstehen. Ziel der zweiten Aufgabe ist es, das Empfinden zu schärfen, wo die Schamgrenze möglicherweise überschritten wird: In den Medien, Kleidung, FKK, etc.
Es ist gut, wenn die Jugendlichen das selbst herausfinden.

Neben den konkreten Inhalten zielt der Entwurf auf eine innere Haltung: Es geht darum, Vertrauen in den Lebensentwurf zu wecken oder zu vertiefen, der sich aus dem Schöpfungshandeln Gottes ergibt. Das Leben außerhalb der Ordnungen Gottes gelingt nicht besser! Es mag eine Zeit lang reizvoller erscheinen, das Wesen der Sünde ist aber, dass die Rechnung mit Verzögerung serviert wird. Das kann man sich sparen.

3. Wie gehen wir vor?

3.1 Das Schamgefühl – ein Rudiment verklemmter Erziehung! – Oder doch nicht?

Der letzte Satz vor dem Sündenfall und der erste Satz danach drehen sich beide um Nacktheit und Schamgefühl. Der letzte Satz vor dem Sündenfall und der erste Satz danach drehen sich beide um das gleiche Thema, um Nacktheit und Schamgefühl. Vor dem Sündenfall waren die Menschen nackt und empfanden das als völlig normal. Weder voreinander noch vor Gott schämten sich Adam und Eva. Danach war alles anders. Sie merkten, dass sich etwas geändert hatte. Sie schämten sich, sie empfanden ihr Nacktsein auf einmal als Problem. Das hat ihnen niemand eingeredet. Nicht einmal Gott, dem begegneten sie erst später. Man hat fast den Eindruck, dass sie nach den ersten größeren Blättern gegriffen haben, die sie finden konnten. Das waren halt Feigenblätter. Vielleicht war gerade ein Feigenbaum in der Nähe. Wenn sie gesucht hätten, dann hätten sie größere Blätter finden können: Rhabarber, Kürbis, Seerosen. Aber sie haben ihre Nacktheit als Not empfunden, gegen die sie ganz schnell etwas tun wollten. Vergleichen wir einmal die Texte:

1. Mose 2,25 1. Mose 3,7
Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und sie schämten sich nicht. Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.

 
Nun darf man sich wundern: Sie schämen sich bestimmter Körperteile, die mit dem Sündenfall gar nichts zu tun haben. Es wäre eigentlich keine Überraschung, wenn sie sich ihrer Hände geschämt hätten, die die verbotene Frucht pflückten. Oder ihres Mundes, der die Frucht aß. Aber nichts dergleichen. Sie schämen sich der „Öffentlichkeit“ von Körperteilen, die an diesen Ereignissen völlig unbeteiligt waren.

Damit drängen sich die ersten Fragen auf, die am Besten in Gruppen diskutiert werden, auch wenn die Ergebnisse nicht leicht zu finden sind:

Aufgabe 1: (Gruppenarbeit)

  • A) Ist das Schamempfinden wirklich eine Strafe Gottes?
  • B) Welchen Sinn mag es haben, dass der Mensch seit dem Sündenfall versucht, bestimmte Körperteile zu bedecken?
  • C) Welchen Sinn hat es, dass Gott Adam und Eva statt der Blätter Fellkleidung macht? 1. Mose 3,21

Der Leiter muss sich gut mit den drei folgenden Antworten zu den Fragen A, B und C auseinandersetzen und sie verstehen. Es ist keinesfalls sicher, dass in den Gruppen die richtigen Antworten gefunden werden.

Antworten:

  • A) Nein, Scham gehört nicht zu den Strafen, die Gott auf den Sündenfall hin verhängt. Das Schamempfinden setzt unmittelbar nach der Tat ein, noch bevor Gott überhaupt einen Satz mit ihnen gesprochen hat. Erst danach beginnt das Verhör und die Fluchworte ab Vers 14, die die wirklichen Strafen beschreiben – zuerst über die Schlange, dann die Frau und schließlich den Mann.
  • B) Wenn das Schamgefühl keine Strafe ist, welchen Sinn hat die Sache dann? Wir können darin eine Schutzfunktion für das Leben in einer gefallenen Welt sehen. Schutz wofür? Wir wissen ja, welche Wirkungen von Nacktheit ausgehen. Das Verhüllen der Intimbereiche schützt die Sexualität vor aggressivem Missbrauch. Seit dem Sündenfall gehört das Bedürfnis, sich nicht unbekleidet zu zeigen, zum gesunden Menschsein. Wer nackt umherläuft, ist krank. Siegmund Freud (1856-1939) formulierte es so:
    Abwesenheit von Scham ist ein sicheres Zeichen von Schwachsinn.Siegmund Freud
  • C) Die Fellkleidung ist nichts anderes, als eine Bestätigung (des für den Menschen ganz neuen Empfindens) der Scham. Die Sache mit den Blättern war natürlich sehr dürftig und kurzlebig. Die Fellkleidung stellt eine dauerhafte Lösung dar. Vielleicht ist damit für den Menschen auch angedeutet, woher er den Rock Nr.2 bekommt: Sie können Tiere töten und das Fell nutzen – aus diesem Grund war Abel wohl Schafzüchter.

PS: Es hat keinen Sinn, in dem Tier für die erste Bekleidung ein Opfer zu sehen, denn:

  • 1. Gott muss kein Tier schlachten, um an ein Fell zu kommen. Der das ganze Universum ohne Ausgangsmaterial schuf, bringt auch ein einzelnes Fell zustande.
  • 2. Welchen Sinn sollte dieses Opfer haben? Opfer verändern einen Zustand. Das ist hier nicht der Fall, es wird sogar ein bestimmter Zustand gefestigt.

Was können wir als Ergebnis festhalten:

  • Das Schamgefühl ist eine „nachträgliche“ gute Schöpfungsordnung, die dem Menschen ein menschenwürdiges Leben außerhalb des Paradieses möglich machen soll.
  • Das Schamgefühl ist weder Strafe noch ist es eine verdeckte Abwertung der Sexualität, sondern dient zu ihrem Schutz.
  • Schamlosigkeit und öffentliche Nacktheit sind also keine Schritte zurück ins Paradies, sondern Widerstand gegen den, der das Schamempfinden gab.

3.2 Das Schamempfinden als Schutz – Was kann man für Schlüsse ziehen?

Aufgabe 2:

Wenn das Schamempfinden eine Schutzfunktion für das Leben und speziell für die Sexualität ist, dann ist es vernünftig, sie ernst zu nehmen.

Sind wir gefährdet? Gibt es so etwas wie „Schamverlust“? Wo? Nur in der BILD-Zeitung, der Bravo und im Playboy? Könnte es sein, dass die Schamgrenze nicht nur in den Illustrierten und im Fernsehen überschritten wird? Wo sind wir gefährdet?

Die folgende Passage ist auf der Kopiervorlage nicht zu finden. Sie sollte taktvoll erzählt werden und nicht mit erhobenem Zeigefinger. Das gilt besonders, wenn „Betroffene“ anwesend sind.

Beispiel: Kleidung

Es gibt viele Felder, auf denen die Schamgrenze ungehemmt überschritten wird. Das kann richtig lästig und lästerlich werden. An einem konkreten Beispiel soll eine feinere Form beschrieben werden, die auch unter Christen gar nicht so selten ist. Sie erscheint modisch und harmlos, ist es aber nicht. Ich bezeichne sie einmal als das Spiel mit „angedeuteter Nacktheit“. Was ist damit gemeint?

Ist doch alles ganz harmlos, höre ich da. Ganz so harmlos ist das nicht. Kleidung hat in der Regel den Sinn, einen Menschen warm zu halten. Nebenbei sorgt sie dafür, dass bestimmte Körperpartien verhüllt werden. Das ist, wie gesagt, die Regel. Und wie es sich für eine Regel gehört, gibt es auch Ausnahmen. In diesem Fall hat die Kleidung nicht die Funktion, etwas zu verhüllen, sondern zu betonen. Die Brust, die Figur, die Proportionen. Man sieht zwar nichts, wird aber eingeladen, sich vorzustellen, wie es darunter aussieht. Etwas tiefer glitzert der gepiercte Bauchnabel und dann, nach weiteren 5 cm freien Feldes, endlich der Hosenbund. Fällt die Hose auch nicht runter?

Absender: Mädchen. Empfänger: Jungs. Das ist ein Spiel, das vermutlich für beide Seiten reizvoll ist – jedenfalls empfinden es manche so. Na und? Was soll da passieren? Ist doch alles ganz harmlos, höre ich da. Ganz so harmlos ist das nicht.

Zuerst einige Sätze für die Absender, die Mädchen: Du darfst nicht überrascht sein, wenn du so behandelt wirst, wie du dich gibst. Wenn du mit deinen erotischen Reizen auf dich aufmerksam machst, dann solltest du nicht überrascht sein, wenn sich Interessenten melden, die genau das (und vielleicht auch nichts anderes) wollen. Vielleicht säuseln sie eines Tages: „Ich liebe dich“, aber sie meinen dich eigentlich gar nicht, sondern das, womit du geworben hast. Du bietest dich an als erotisch interessant – verkaufst du dich damit nicht viel zu billig? Ist das nicht etwas wenig, auf dem Markt zu erscheinen mit der Botschaft: „Ich bin sexy!“? Macht das wirklich den ganzen Menschen aus?

Es gibt das alte Wort von der „sittsamen Kleidung“. Darunter ist wahrhaftig nicht nur der knöchellange Rock aus grobem Sacktuch zu verstehen. Auch ganz moderne Kleidung kann sittsam sein. Bedenke bitte: Du wirst so behandelt werden, wie du dich anbietest. Was sollen Beobachter an dir wahrnehmen? Welchen „Typ Mann“ würdest du beeindrucken wollen? Ob du es glaubst oder nicht: Es gibt junge Männer, die mehr suchen als einen interessanten Körper.

Und für die Herren, für die die Aufmachung gedacht ist: Was suchst du an dem Mädchen, die du dir als Ehefrau und Mutter deiner Kinder vorstellen kannst? Pass auf deine Fantasie auf! Du musst unbedingt lernen, auf mehr zu achten als einen schönen Körper. Lass die Finger weg, wenn das das Einzige ist, womit sie Punkte sammeln will. Wie lebt sie ihr Christsein? Welche Figur macht sie, wenn es um Aufgaben geht? Welche Rolle spielt sie in ihrer Familie?

4.3 Verliebt und Verlobt – Was wird aus der Scham, wenn sich zwei lieben lernen?

Dieser Punkt kann sowohl als Vortrag gehalten, als auch im Gruppengespräch mit Hilfe der Grafiken erarbeitet werden. Die folgenden Ausführungen sind auch komplett auf den Arbeitsblättern.

Stellen wir uns zwei junge Leute vor, die ihre Zuneigung zueinander entdecken: Beide waren noch nie wirklich verliebt, die Bettgeschichten von Studien- und Arbeitskollegen wirken auf sie eher abschreckend, so als wären sie in einer frühevolutionären Karnickelphase steckengeblieben. Das ist jedenfalls nicht das Bild von Liebe und Sexualität, das sie als Ideal in ihrem Inneren tragen.

Es ist schon gut, wenn man weiß, was man nicht will. Das reicht aber noch nicht, um die eigene Liebesgeschichte zu gestalten. Es ist schon gut, wenn man weiß, was man nicht will. Das reicht aber noch nicht, um die eigene Liebesgeschichte zu gestalten. Bei den folgenden Überlegungen geht es um ein konkretes Detail jeder Liebesgeschichte: Was wird aus der „Schamgrenze“, die jeder Mensch hat, in einer wachsenden Liebesbeziehung?

Das ist die normale Ausgangssituation. Der blaue Kreis soll die Schambarriere darstellen. Man gestattet einem anderen Menschen nur ein begrenztes Maß an Nähe. Man küsst nicht jeden beliebigen Menschen, man gestattet nicht jedem nahen Körperkontakt. Das gilt auch für Verliebte am Anfang ihrer Beziehung.

Das bleibt aber nicht so. Verliebte erlauben einander ein Maß an körperlicher Nähe, dass sie sonst keinem Menschen gewähren. Was heißt erlauben, sie suchen die Nähe.
Zärtlichkeiten wie Berühren, Umarmen, Küssen… machen die Schambarriere mit der Zeit durchlässiger. Das ist gut und in einem gewissen Maß sogar unerlässlich, denn diese Schambarriere kann nicht in der Hochzeitsnacht abgerissen werden wie ein Vorhang.

Je näher man sich kommt, umso niedriger wird die Schambarriere. Das ist richtig, aber Vorsicht, denn…

  • A) …die Annäherung hat eine Eigendynamik. Sie zielt auf Sex, deshalb müssen sich Verliebte vor Gott und voreinander auf Grenzen verständigen, die sie vor der Eheschließung nicht überschreiten wollen.
  • B) …je mehr man von sich preisgibt, umso verletzlicher wird man. Deshalb: Auf den richtigen Menschen und die richtige Zeit warten!

Die ganze Geschichte zielt auf geschlechtliche Gemeinschaft. Das „ein-Fleischwerden“, wie es in der Bibel genannt wird, schafft ein von Gott gewolltes und geschütztes gemeinsames Geheimnis.

Von Gott gewollt? Ganz genau! Sexualität ist Gottes Idee, von ihm kommt der Satz:

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.

Von Gott geschützt? Schamgefühl, so hatten wir festgestellt, ist eine Schutzfunktion für den Menschen als geschlechtlichem Wesen. Nun hat auch eine Ehe ein gemeinsames Geheimnis, eine Barriere, in die keine weitere Person Zutritt hat. Die Ehe ist der Raum, in dem Nacktheit schuldfrei ist. Es ist aber ein exklusiver Rahmen. Ein Mensch, der diesen Rahmen von außen oder innen durchbrach, hatte im AT sein Leben verwirkt. Auf Ehebruch stand im AT die Todesstrafe. Jawohl, Gott schützt diesen Rahmen.

Wie würde unsere Welt aussehen, wenn Gott das Schamgefühl nicht „installiert“ hätte?

4. Was brauchen wir?

Material: Folien der Grafiken Kopien der Arbeitsblätter Bibel, Schreibzeug

5. Anlagen

  • Arbeitsblätter