Fehler beim Lesen des Alten Testamentes

Was du beim Lesen des AT beachten solltest, erfährst du in diesem Artikel.
Fehler beim Lesen des Alten Testamentes

Fehler 1: Ich lese das AT kaum noch, weil das NT ja reicht.

„Ich lese das AT einfach gar nicht – dann kann ich es auch nicht falsch verstehen“ – ist das die Lösung? Natürlich nicht. Trotzdem ist es die Haltung bei vielen Gläubigen heute. Das AT wird meist sehr viel weniger gelesen als das NT. Doch das ist ein Fehler: Das AT ist genauso Gottes Wort wie das NT! Es ist genauso nützlich, lehrreich und hilfreich für mein Leben (2.Timotheus 3,16). Jesus und die ersten Christen hatten noch gar kein NT! Sie haben aus dem AT gelesen und gelebt, ohne dass das langweilig oder eintönig gewesen wäre. Deshalb hat und das AT auch heute noch viel zu sagen. Und wenn wir heute auch noch das NT haben, dann ist das umso schöner, aber kein Ersatz für das AT.

Fehler 2: Ich übernehme alles aus dem im AT eins zu eins für mich.

Keine Kleidung aus zwei Stoffen tragen, die ganzen Speisegebote halten und nach jeder Sünde ein Opfer bringen? Keine gute Idee. Wer das AT so liest, missachtet den zweiten Teil der Bibel: Das NT zeigt, dass sich nach Tod und Auferstehung Jesu einiges geändert hat. Außerdem galt das jüdische Gesetz nie für die nicht-jüdischen Völker dieser Welt. Wenn ich das AT lese, muss ich das berücksichtigen. Das nennt man „heilsgeschichtliches“ Bibellesen. Nicht alles im AT ist Gottes direktes Wort an mich. Ich bin kein Israelit und stand auch nicht unter dem rauchenden Berg Sinai, als das Gesetz gegeben wurde. Deshalb wende ich das Gesetz auch nicht 1:1 auf mich an. Aber alles im AT ist Gottes Wort für mich, weil es Gottes Wesen zeigt, das Wesen des Menschen zeigt und Prinzipien im Handeln Gottes mit den Menschen offenbart. Alles das ist für mich wichtig. Ich kann und soll deshalb aus jedem Text des AT profitieren.

Fehler 3: Ich nehme einzelne Verse heraus, beachte aber nicht den Zusammenhang.

Postkarten, Kalender und Wandsprüche sind voll von schönen Versen aus dem AT. Und das zu recht. Aber wenn sich das Lesen des AT auf einzelne Verse beschränkt, ohne den Zusammenhang zu betrachten, führt das zu Missverständnissen. Es ist, als ob man den Brief eines guten Freundes nicht ganz liest, sondern nur ein paar schön klingende Worte rauspickt. Wer wirklich verstehen will, was im AT steht, muss die Verse im Zusammenhang lesen: Den Zusammenhang des Kapitels, des ganzen Buches oder sogar mehrerer Bücher zu beachten, macht einzelne Verse nicht nur verständlicher, sondern ihre Aussage auch oft noch viel schöner! Außerdem bleibt man so vor Missverständnissen bewahrt. Nicht selten stellt sich nach einem Blick in den Zusammenhang heraus, dass ein Vers ganz anders gemeint ist, als er zunächst scheint, wenn man ihn isoliert liest.

Fehler 3: Ich suche bei allem nach der tieferen allegorischen Bedeutung.

Josua führt Israel zum Kampf gegen Jericho – was will mir das sagen? Nun, zunächst sagt das einfach, dass Josua Israel zum Kampf gegen Jericho führt! Hier sofort den geistliche Kampf von Geist und Fleisch zu sehen oder dem Text eine versteckte Andeutung für den Sieg Jesu auf Golgatha zu entnehmen, zeigt wenig Interesse für das, was Gott zunächst mal sagen will. Oder haben erst wir einen geheimen Schlüssel, das AT zu lesen, während den Gläubigen im AT die Geschehnisse unverständlich blieben? In einzelnen Fällen mag das so sein (1.Petrus 1,10-12). Aber in der Mehrzahl der Fälle ist erst mal das gemeint, was da steht – und zwar unter Beachtung des Zusammenhangs. Gott steht Josua und Israel bei, wenn sie auf ihn vertrauen und erfüllt seine Verheißung an die Väter – das bietet genug Stoff für Anwendungen auf Gläubige heute, auch ohne versteckte Bedeutungen.

Fehler 5: Ich sehe in Erzählungen nur den Sinn, mir gute oder schlechte Vorbilder zu geben.

Abraham zieht nach Ägypten, Jakob legt gemusterte Stäbe in die Tränken seiner Herde und David wohnt bei den Philistern. Falsch oder richtig? Vorbild oder Warnung? Diese Fragen lassen sich häufig nicht eindeutig beantworten. Könnte das vielleicht daran liegen, dass die alttestamentlichen Autoren diese Frage gar nicht immer beantworten wollten? Es wäre doch so einfach gewesen, immer eine kurze Bewertung hinzuzufügen, wie man das bei den Königen Israels kennt. Das AT ist kein „Tugend-Büchlein“, das nur aus lebhaften Beispielen guten oder schlechten Verhaltens besteht. Deshalb ist es auch zu wenig, das AT nur mit dieser Brille zu lesen. Es zeigt Menschen mit Licht und Schatten, wie das auch bei heutigen Gläubigen ist. Aber über allem steht Gottes Handeln mit diesen Menschen – und das ist das Entscheidende. Dass tatsächlich viele Personen und Handlungen wirklich als klare Vorbilder und Warnungen dienen, ist umso lehrreicher und hilfreicher – aber das muss eben nicht für jede Person oder jede Handlung gelten. Die Frage muss daher sein: Was will Gott damit sagen? Und nicht: Wie muss ich das bewerten?