Das Paradigma einer veralteten Jugendarbeit

Warum halten wir eigentlich Jugendstunden ab? Was ist unser vordergründiges Ziel dabei? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich dieser Artikel.
Das Paradigma einer veralteten Jugendarbeit

Jugendarbeit = „Jugendstunde halten“

Das ist die Gleichung eines veralteten Modells von Jugendarbeit. Man trifft sich einmal die Woche, z.B. freitagabends. Die Jugendarbeit besteht daraus, dass es eine Jugendstunde gibt. Und die Jugendstunde ist der Gruppentreffpunkt. Da treffen sich 10, 20 oder 30 fromme junge Leute. Aber wahrlich nicht alle kommen aus wirklich geistlichem Interesse. Manche kommen, weil es von den Eltern erwartet wird. Manche kommen, weil man dort Leute treffen kann.

Die Hauptsache des Abends ist die Bibelarbeit – so sollte es jedenfalls sein. Schaut man sich die Sache genauer an, dann kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass das Wichtigste des Abends die anschließende Kickerrunde ist, oder der anschließende Ausflug in den nächsten Pub. So läuft es Woche für Woche. Und vordergründig könnte man doch ganz zufrieden sein, denn die Leute sind doch „unterm Wort“, wie man so sagt. Wenn da nicht noch folgende Fragen wären: Ist Anwesenheit gleich Aufmerksamkeit? Wie viele Privatunterhaltungen finden während der Bibelarbeit statt? Wie viele WhatsApp-Nachrichten werden in dieser Zeit geschrieben? Ist der Leiter damit zufrieden, dass er sein Thema einigermaßen ungestört durchziehen konnte? Immerhin, er hat ja seine „Jugendstunde gehalten“…

Die Sache mit dem Paradigma

In der Wissenschaft versteht man unter Paradigma das Vorhandensein einer „grundlegenden Weltsicht“. Das Paradigma einer veralteten Jugendarbeit besteht darin, dass wir es mit einer „grundlegenden Gewohnheit“ zu tun haben, die man wie folgt beschreiben kann: Jugendarbeit ist das Abhalten einer Veranstaltung. Und jetzt kommt der springende Punkt: Ich habe noch nie jemanden gehört, der das mit diesen Worten ausdrücklich formuliert hat, aber ich habe es schon unzählige Male beobachtet, dass es in der Praxis genau so abläuft. Es hat sich so eingeschliffen. Und in der Spur steckt man drin. Es scheint unmöglich zu sein, aus dieser Gewohnheit herauszukommen.

Menschen gehen verloren

Leiter, die aus den eingefahrenen Gleisen des „Veranstaltungs-Jugendstunde-Denkens“ nicht herauskommen, tragen Mitverantwortung daran, dass Menschen verlorengehen. Ihnen werden junge Menschen anvertraut. Sie haben die großartige Chance, ihnen eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus nahezubringen, aber sie nutzen sie nicht. Sie kommen pünktlich um halb acht zur Jugendstunde, es folgt ein nettes Hallo, dann das vorgesehene Programm, sie verschwinden Punkt halb zehn. Und das war’s. Persönliche Beziehungen spielen keine wirkliche Rolle.

Jugendarbeit = Menschen zu Jesus führen

Andreas lernt Jesus kennen Johannes 1,37-40. Was ist das erste, was er anschließend tut? Er führt seinen Bruder Simon zu Jesus Johannes 1,41-42. Genau so will Jesus das. Jugendarbeit bedeutet junge Menschen zu Jesus führen. Das ist durchaus evangelistisch zu verstehen, aber nicht nur. Unser Vorrecht als Jugendleiter ist es, junge Leute zu Jesus zu führen, sowohl solche, die ihn noch gar nicht kennen, als auch solche, die das Evangelium schon mit der Muttermilch aufgesogen haben. Dabei ist Jugendarbeit so etwas wie ein „geistliches Internat“, in dem uns junge Menschen für drei bis fünf Jahre anvertraut werden, dass wir sie auf allerlei Weise näher zu Jesus bringen. Der Erfolg liegt wahrlich nicht in unserer Hand. Aber diese Vision beseelt uns.

Jugendarbeit = zu Jüngern machen

Manchmal könnte man meinen, der Missionsbefehl lautet:

Haltet Veranstaltungen ab!
Machet zu Jüngern!

Wichtig sind geistliche Zweierschaften, z.B. gemeinsame Stille Zeit und Kleingruppen außerhalb des Gruppenabends, z.B. mit einem zeitlich begrenzten Bibelkurs. Dabei geht es nicht darum zum Gruppenstundenabend noch ein paar weitere Veranstaltungen hinzuzufügen. Viel mehr geht es darum, persönliche Nähe zuzulassen, wo Menschen ihr Leben öffnen und die lebensverändernde Kraft Jesu sichtbar bzw. spürbar wird. Paulus beschreibt das so:

Und ihr seid unsere Nachahmer geworden, und die des Herrn.

Zum Vorbild werden wir da, wo Teenager und Jugendliche uns „zuschauen“ dürfen, wie wir anderen Menschen Gottes Liebe zeigen und ihnen von Jesus weitererzählen.

Der Paradigmenwechsel

Unter einem Paradigmenwechsel versteht man die radikale Änderung eines Blickwinkels. Für alle, die bewusst oder unbewusst Jugendarbeit auf das Abhalten von Veranstaltungen reduziert haben, ist ein Paradigmenwechsel dringend notwendig. Jesus selbst ist ein Paradigmenwechsel. Er hat die Sicht, wie Menschen dem lebendigen Gott dienen, radikal verändert. Er versteht Gottesdienst weder als Treffpunkt in einem kirchlichen Gebäude noch als das Abhalten einer Veranstaltung. Wahrer Gottesdienst ist es, wenn Menschen sich IHM mit Leib und Leben als lebendiges und heiliges Opfer zur Verfügung stellen Römer 12,1. Deshalb ist dieser Artikel ein engagiertes Plädoyer für eine personen- und beziehungsorientierte Jugendarbeit, nach dem Beispiel Jesu. Gott hat sein Herz ganz weit gemacht und ist Mensch geworden in Jesus Christus. Wie viel mehr sind wir herausgefordert, jungen Menschen unsere Herzen zu öffnen und danach zu suchen, wie wir ihre Herzen gewinnen können.

Das Vorbild Jesu führt uns dazu, dass wir unsere alten Denkgewohnheiten von ihm hinterfragen lassen, dass wir uns in Bezug auf unsere eingefahrene Lebensweise öffnen, dass wir ihn in unseren Terminkalender eingreifen lassen, dass wir unsere Haustüren öffnen. Ein Paradigmenwechsel dieser Art wird uns die Augen öffnen für eine ganz neue Sicht von Jugendarbeit.